OGH-Rechtsprechung zu diversen Aspekten der Notariatsaktpflicht bei der Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteiles
Die wirksame Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils mittels Rechtsgeschäft unter Lebenden erfordert gemäß § 76 Abs 2 GmbHG einen Notariatsakt. Dies gilt sowohl für das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft. Der OGH hat in diesem Zusammenhang in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits klargestellt, dass im Falle einer Aufspaltung der Abtretung in „Signing“ und „Closing“ für Letzteres ein weiterer Notariatsakt notwendig sein kann. Ob Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zusammenfallen, hängt vom aktuellen Übertragungswillen der Vertragsparteien ab. Ausschlaggebend ist somit, ob bereits bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ein derartiger Parteiwille, nämlich gleichzeitig die Übertragung des Geschäftsanteils zu bewirken, vorhanden ist. In der Literatur wird aus diesem Grund hierbei insbesondere dem Vertragstext Bedeutung zugemessen. Anfang dieses Jahres beschäftigte sich der OGH erneut mit den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils, worauf im Folgenden genauer eingegangen wird.
Aktuelle Rechtssprechung
OGH 6 Ob 122/21s
Im zugrundeliegenden Sachverhalt wurde eine, aufgrund einer Call-Option und dazugehörigen Ausübungserklärungen ausgelöste, Änderung im Stand der Gesellschafter zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet, die vom Erstgericht auch bewilligt wurde. Ein Teil der gelöschten Gesellschafter vertrat die Meinung, dass aufgrund des Unterbleibens der „Vorlesung“ der Call-Optionsvereinbarung der Notariatsakt unwirksam sei und die Call-Optionen auch deshalb nicht wirksam seien, weil die Parteien während der Errichtung des Notariatsakts bis zu seiner Unterzeichnung nicht gleichzeitig anwesend waren und erhob deshalb gegen die erstgerichtliche Entscheidung Rekurs. Als dritten wesentlichen Rekursgrund nannten die Rechtsmittelwerber die Unwirksamkeit der Ausübungserklärungen, da die einvernehmlich vorgesehenen Voraussetzungen dafür nicht eingehalten worden seien. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, da u.a. eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlte, ob ein vom objektiven Vertragstext abweichender „natürlicher Konsens“ bezüglich der Bedingungen, der an sich notariatspflichtigen Call-Option, Gewicht beizumessen ist, sowie zur Frage, ob das Ausbleiben der „Vorlesung“ des Notariatsakts dessen Nichtigkeit zur Folge hat.
In Bezug auf letztere Frage ist der OGH hier zum Ergebnis gekommen, dass im Falle eines Abtretungsvertrags in Form einer Privaturkunde, die dem Notar nur zur „Ummantelung“ gegeben wird, diese dadurch Bestandteil des Notariatsakts wird und als solcher ebenfalls verlesen werden muss. Andernfalls liegt kein formgültiger Notariatsakt vor, wodurch folglich der Abtretungsvertrag ungültig wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen gemäß § 52 NO die angeführten Parteien bei Errichtung und Unterfertigung eines Notariatsakts grundsätzlich gleichzeitig anwesend sein. Abweichungen davon haben jedoch nach bisheriger Judikatur des OGH sowie des VwGH nicht den Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde und somit die Unwirksamkeit des Geschäfts zur Folge. Hervorzuheben ist allerdings, dass auch in diesen Fällen der Notariatsakt der später unterzeichnenden Partei erneut vorzulesen ist.
Wie bereits zu Beginn erläutert, erfordert die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils, sowie auch die Vereinbarung zur künftigen Abtretung, einen Notariatsakt bei sonstiger Ungültigkeit des Geschäfts. Reine Nebenabreden sind zwar nicht formpflichtig und bedürfen daher keines Notariatsakts, jedoch können wesentliche Bestandteile, die unmittelbar die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung betreffen, nicht als Nebenabrede beschlossen werden. Im zugrundeliegenden Fall handelte es sich um die Voraussetzungen der Call-Optionsausübung, welche nicht als bloße Nebenabreden, sondern als wesentliche Bestandteile der Call-Optionsvereinbarung zu werten und somit auch von der Notariatsaktpflicht umfasst sind.
Eine fehlende Andeutung hierzu im Notariatsakt führt aber nicht dazu, dass die Call-Optionsvereinbarung ohne die Voraussetzungen zustande gekommen ist. Der Vertragsinhalt richtet sich vielmehr nach dem Parteiwillen (der auch bei Rechtsgeschäften, die einer bestimmten Form bedürfen, nach allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt wird). Enthält der Notariatsakt nicht alle wesentlichen Vertragsbestandteile, wäre somit wegen Nichtbeachtung der Notariatsaktpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG die gesamte Call-Optionsvereinbarung ungültig.
Fazit
Eine Privaturkunde, die den Inhalt eines Geschäfts enthält und iSd § 54 NO notariell bekräftigt wird, löst nach ständiger Rechtsprechung die Errichtung eines Notariatsakts über den Inhalt der Urkunde ab. Ein Rechtsgeschäft, das der Notariatsaktpflicht unterliegt, kann daher wirksam durch Solennisieren der darüber errichteten Privaturkunde abgeschlossen werden. Die Urkunde wird jedoch durch die „Ummantelung“ Bestandteil des Notariatsakts (siehe § 54 Abs 3 NO) und ist somit - bei sonstiger Ungültigkeit - von der Pflicht zur Verlesung mitumfasst.
Allein die fehlende gleichzeitige Anwesenheit der Parteien bei Errichtung und Unterzeichnung des Notariatsakts bewirkt nicht die Unwirksamkeit des Geschäfts, jedoch gilt auch in Bezug auf die nachträglich unterzeichnende Partei die Pflicht zur Verlesung des Notariatsakts.
Die Voraussetzungen der Ausübung einer Option aus einer Vereinbarung über eine allfällige künftige Abtretung sind als wesentliche Bestandteile einer solchen Call-Optionsvereinbarung zu qualifizieren – nicht nur als bloße Nebenabrede – und somit auch von der Notariatsaktpflicht umfasst.
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