Nächster Schritt in Richtung „EU-Lieferkettengesetz“!
Am 01. Juni 2023 hat nun auch das Europäische Parlament („EP“) seine Position zum Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit („EU-Lieferkettengesetz“) angenommen. Die Verhandlungen über den endgültigen Text gehen in die finale Runde.
Der Legislativprozess in der Europäischen Union braucht seine Zeit. Die EU-Kommission hatte ihren Richtlinienvorschlag bereits am 23. Februar 2022 veröffentlicht. Der Rat hatte daraufhin seinen Vorschlag im November 2022 präsentiert. Wir berichteten dazu bereits in unserem Law Blog im Jänner 2023 .
Nun hat also auch das EP seine Verhandlungsposition festgelegt und deutlich strengere Regelungen eingemahnt. Hier ein kurzer Überblick über die vom EP geforderten Verschärfungen (wir haben die wichtigsten herausgegriffen):
Wer soll erfasst sein
1) EU-Unternehmen (unabhängig von der Branche)
- mit mehr als 250 Beschäftigten und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 40 Mio.; oder
- wenn es sich dabei um die oberste Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe handelt, welche mehr als 500 Beschäftigte hat und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio. erzielt.
2) Drittstaatunternehmen (unabhängig von der Branche)
- mit einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio. sofern mindestens EUR 40 Mio. EUR in der Union erwirtschaftet wurden; oder
- wenn es sich dabei um die oberste Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe handelt, welche mehr als 500 Beschäftigte hat und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR und mindestens 40 Mio. EUR in der Union erzielt.
Das EP erweitert den Pflichtenkatalog um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels
- ein Übergangsplan zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° muss implementiert werden
- es besteht eine konkrete Verantwortlichkeit für Mitglieder der Unternehmensleitung
- bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten: Teile der variable Vergütung für Mitglieder der Unternehmensleitung müssen an Erfüllung des Übergangsplan gekoppelt sein
Verstöße gegen das „EU-Lieferkettengesetz“ sollen strenger sanktioniert werden
- Finanzielle Sanktionen mit einem Höchstmaß von mindestens 5% des weltweiten Nettoumsatzes
- Drittstaatunternehmen: Ausschluss vom öffentlichen Vergabeverfahren innerhalb der EU
- „Naming and Shaming“ Maßnahmen (öffentliche Erklärung mit Angabe des verantwortlichen Unternehmens und der Art des Verstoßes)
- Ausschluss von Produkten aus dem freien Verkehr oder vom Export
Ausblick
Wir rechnen damit, dass die Trilog-Verhandlungen für das EU-Lieferkettengesetz noch im Sommer 2023 starten werden. Die Verhandlungsparteien (Kommission, Rat, EP) haben sehr unterschiedliche Verhandlungspositionen – wir sind daher auf das finale Ergebnis gespannt und erwarten ein Inkrafttreten der Richtlinie im Laufe des Jahres 2024. Im Anschluss haben die Mitgliedstaaten voraussichtlich zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Wir erwarten, dass der österreichische Gesetzgeber ein eigenes Lieferkettengesetz verabschieden wird, da bislang noch keine einschlägigen Regelungen existieren.
Anders sieht die Lage in Deutschland aus: Hier muss das mit 01. Jänner 2023 in Kraft getretene „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ angepasst werden. Die heimische Wirtschaft hat als Vertragspartner vieler größerer deutscher Unternehmen bereits die neue Regulierung der Lieferketten zu spüren bekommen.
Exkurs: Österreichisches Institut für Lieferkettenforschung
Österreich hat seit kurzem ein Institut für Lieferkettenforschung ( „Supply Chain Intelligence Institute Austria“, kurz „ASCII“). Medienberichten zufolge haben das Wirtschaftsministerium und das Land Oberösterreich gemeinsam EUR 10 Mio dafür zur Verfügung gestellt. Das ASCII soll sich insbesondere mit der Sicherheit und Verlässlichkeit von Lieferketten beschäftigen, um ua drohende Engpässe frühzeitig zu erkennen. Das ASCII fungiert ua als erste Anlaufstelle zur Analyse, Bewertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen für zeitkritische und komplexe Fragestellungen im Zusammenhang mit Wertschöpfungsketten.
Fazit:
All dies zeigt, dass das Thema Lieferketten an Fahrt aufnimmt. Österreichische Unternehmen sind gut beraten, sich schon jetzt mit diesen Anforderungen zu befassen. Wir unterstützen gerne!
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