Q&A zur BND-Spionageliste
Berichten der Tageszeitung Der Standard sowie des Nachrichten-Magazins Profil zufolge befinden sich auf einer „internen Spähliste“ des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) etwa zweitausend Institutionen und Unternehmen jeglicher Größe und Branche aus Österreich, die vom BND abgehört wurden. Ein Auszug aus dieser Liste von 200 betroffenen Stellen und Unternehmen findet sich in der Ausgabe des Profils vom 25. Juni 2018.
Wie kann ich erfahren, ob mein Unternehmen betroffen ist?
Abgesehen von dem im Profil abgedruckten Auszug aus der Abhörliste sind derzeit keine weiteren Informationen zu den betroffenen österreichischen Unternehmen und Stellen öffentlich verfügbar.
Wir sind aktuell in Kontakt mit den genannten Medien, um abzuklären, ob wir entweder die gesamte Liste erhalten können oder auf konkrete Anfrage eine Rückmeldung erhalten werden, ob ein bestimmtes Unternehmen auf der Abhörliste aufscheint oder nicht.
Welche Informationen hat der BND gesammelt?
Konkrete Informationen zum Ausmaß der Überwachungsmaßnahmen des BND liegen derzeit noch nicht vor.
Den vorliegenden Medienberichten zufolge wurden vordergründig Metadaten (sog. „Selektoren) gesammelt. Dazu zählen Verbindungnachweise, E-Mail-Adressen und ähnliche Informationen, nicht aber die konkreten Inhalte von Telefonaten, E-Mails oder sonstiger Korrespondenz.
Der Umfang der betroffenen Ziele und die medial berichteten Schwerpunkte (z.B. die Konzentration auf Ziele mit Verbindungen zum Iran) lassen aber darauf schließen, dass wohl zumindest zum Teil auch Inhalte überwacht wurden.
Werden weiterhin Informationen gesammelt?
Laut den verfügbaren Informationen umfasst die Abhörliste den Zeitraum von 1999 bis 2006.
Die in der Liste enthaltenen zeitlichen „Selektoren“ lassen aber mutmaßlich nur Rückschlüsse auf den Beginn der Überwachung zu. Konkrete Hinweise darauf, dass die Aktivitäten als Ganzes oder hinsichtlich bestimmter Stellen eingestellt wurden, gibt es nicht. Es deutet einiges darauf hin, dass sich auch die auf Österreich bezogenen Aktivitäten des BND zumindest bis zu den Enthüllungen im Rahmen der „Snowden-Affäre“ und der dadurch prominent bekannt gewordenen Spionage-Tätigkeit der NSA, somit bis ins Jahr 2013, andauerten.
Laut Pressekonferenz des Bundeskanzlers gäbe es derzeit keine Indizien dafür, dass die Überwachung noch andauert.
Angesichts des Umstands, dass es dem BND aufgrund einer Novelle des BND-Gesetzes aus dem Jahr 2016 erlaubt ist, Daten eines wichtigen Internet-Knotenpunkts in Frankfurt zu sammeln, über welchen auch Kommunikation in Österreich geführt wird, ist zweifelhaft, dass der BND seine Aktivitäten in Bezug auf Österreich tatsächlich vollends eingestellt hat.
Waren die Aktivitäten des BND rechtlich gedeckt?
Bis 2016 hatte der BND nach deutschem Recht jedenfalls einen sehr weitgehenden Handlungsspielraum. Nach den öffentlich zugänglichen Ergebnissen des deutschen NSA-Untersuchungsausschusses dürfte der BND bei seinen Aktivitäten aber selbst nach deutschem Recht zumindest zum Teil seine Kompetenzen überschritten haben.
Welche konkreten Schritte können betroffene Unternehmen jetzt setzen?
- Kontaktaufnahme mit Medien
Der erste pragmatische Schritt für ein Unternehmen, das noch nicht weiß, aber wissen möchte, ob es auf der BND-Abhörliste steht, ist aktuell die Kontaktaufnahme mit jenen Medien, die aktuell über die Liste verfügen.
- Auskunftsbegehren an die Behörden
Sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht besteht die Möglichkeit, Auskünfte zur eigenen Betroffenheit ebenso wie zum Ausmaß und Inhalt gesammelter Daten einzufordern. Das österreichische Auskunftspflichtgesetz ebenso wie das deutsche Informationsfreiheitsgesetz ermöglichen es aber den Behörden, Auskünfte mit Hinweis auf eine „gesetzliche Verschwiegenheitspflicht“ (§ 1 Abs 1 Auskunftspflichtgesetz) bzw. deshalb zu verweigern, weil eine Auskunft „nachteilige Auswirkungen“ auf internationale Beziehungen, Belange der inneren oder äußeren Sicherheit oder andere öffentliche Interessen haben könnte (§ 3 Informationsfreiheitsgesetz).
Bei geheimdienstlichen Angelegenheiten ist davon auszugehen, dass die Behörden sich auf diese Ausnahmen berufen würden. Im Hinblick auf Deutschland gilt das umso mehr, als der deutsche Generalbundesanwalt den österreichischen Behörden bereits 2015 die Rechtshilfe verweigert hat.
- Beteiligung am Ermittlungsverfahren
Im Jahr 2015 – nach dem ersten Bekanntwerden der Aktivitäten des BND in Österreich – hat die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen wegen Verdachts auf Spionage zum Nachteil der Republik Österreich aufgenommen. Dieses Verfahren ist nach Ablehnung des Rechtshilfeersuchens an die deutschen Behörden im Sand verlaufen, soll nach aktuellen Aussagen der österreichischen Bundesregierung im Lichte der neuen Erkenntnisse aber wieder reaktiviert werden.
Sofern aufgrund der Medienberichte (oder einer bestätigten Anfrage bei den betreffenden Medien) feststeht, dass ein Unternehmen von den BND-Maßnahmen betroffen ist, hat dieses die Möglichkeit, sich dem Ermittlungsverfahren als Opfer anzuschließen.
Nach der Strafprozessordnung (StPO) ist Opfer einer Tat jede „Person, die durch eine Straftat einen Schaden erlitten hat oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte“ (§ 65 Z 1 lit c StPO). Diese Formulierung ist absichtlich weit gefasst und gezielt im Konjunktiv („könnte“) gehalten. Es ist naheliegend, dass Personen, die Hinweise haben, dass sie vom BND abgehört wurden, diese Opferdefinition erfüllen.
Opfern kommen im Ermittlungsverfahren zahlreiche Rechte zu (§ 66 StPO), darunter insbesondere das Recht auf Akteneinsicht. Dadurch können die strafbehördlichen Ermittlungen und sonstigen Entwicklungen – etwa die Beteiligung und Aktivitäten anderer betroffener Unternehmen – engmaschig beobachtet werden.
Sollten sich konkrete Hinweise auf Schadenersatzansprüche ergeben, besteht die Möglichkeit, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen. Privatbeteiligte sind Opfer, die erklären „sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung zu begehren“ (§ 65 Z 2 StPO).
Wir unterstützen Sie in diesem Zusammenhang selbstverständlich sehr gerne bei jeglichen Schritten!
Kontakt
Stefan Albiez, Partner
albiez@bindergroesswang.at
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