Update Öffentliches Wirtschaftsrecht September 2018
In dieser Newsletter-Serie beschäftigen wir uns mit den Grundlagen und aktuellen Fragen der europäischen und österreichischen Wirtschaftsordnung und weisen auf aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung hin. Tipps für die Unternehmenspraxis sollen dabei nicht fehlen.
Anstelle hoher Politik wie in der Vorausgabe (↦ Beziehungschaos US – EU) diskutieren wir diesmal die neue Wirtschaftsfreundlichkeit in der heimischen Politik. Die nicht mehr ganz so neue Bundesregierung und das umgefärbte Parlament zeigen erste Wirkung.
1.) Der neue Staat – vom strengen Erzieher zum beratenden Buddy
Österreich ist in puncto alternative Sanktionsmodelle kein Weltmeister. Der Staat vertraut dem Rechtsunterworfenen nicht – nur angedrohte und verhängte Geld- und Freiheitsstrafen wirken general- und spezialpräventiv und erziehen den Rechtsunterworfenen zu einem rechtskonformen Verhalten.
Dieses staatliche Misstrauen ist auch im Verwaltungsrecht nicht unbegründet, was eigene Selbstreflexion bestätigt. Die Autoren gestehen hiermit multiple Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) zu – selbstverständlich immer nur unbedeutende Delikte wie schnelleres Autofahren, wo „Gelassenheit“ (Ortsgebiet) angebracht wäre.
Unternehmer haben ebenfalls mit Rechtsverstößen zu kämpfen, im Bereich Arbeitnehmerschutz, Ausländerbeschäftigung, Einhaltung von Bescheidauflagen usw. Das heimische Verwaltungsstrafrecht kennt dabei kaum Gnade: Verschuldensvermutung kombiniert mit einer Kumulation von Verwaltungsstrafen machen die Wirtschaft und (deren) Rechtsgelehrte unrund. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sieht keinen Anlass zum Einschreiten. Also verlagert sich die Verteidigungslinie u.a. auf die Wirksamkeit des Kontrollsystems (↦ kurz Geduld bitte, kommt schon noch) und die Frage, ob das Strafverfahren einzustellen ist, weil
- das verletzte Rechtsgut nicht bedeutend,
- das verletzte Rechtsgut nicht intensiv beeinträchtigt und
- das Verschulden des Täters gering
sei. Auf diesen Status quo trifft nunmehr die jüngste Novelle des Verwaltungsstrafrechts (BGBl I Nr. 57/2018 für Zahlenmenschen):
Der Gesetzgeber nimmt die drei genannten Kriterien für eine fehlende „Strafwürdigkeit“ auf, um in diesem so abgesteckten Rahmen den Grundsatz „beraten statt strafen“ zu verankern (§ 33a VStG). Die Idee dabei ist, den Täter durch Beratung auf den rechtskonformen Weg zurückzuführen und ihn anzuleiten, wie der rechts- und/oder bescheidkonforme Zustand wiederhergestellt werden kann. Kommt er dem behördlichen Rat nach, ist die Angelegenheit erledigt. Bei beratungsresistenten Tätern wird der „Buddy“ zum strengen Erzieher, soll heißen: das Strafverfahren wird eingeleitet (oder fortgeführt).
Die Wirtschaft freut sich und applaudiert. Die Opposition sieht schon das Ende des Ordnungsrechts am Horizont. Die Aufregung erreicht kurzzeitig gar soziale Netzwerke-Qualität. Dabei will der Bundesregierung(s)-regierte Gesetzgeber offenbar den Beratungsansatz immer nur bei Verwaltungsübertretungen verankern, die noch andauern und daher noch abgestellt werden können (sog. Dauerdelikte).
Ungeregelt geblieben ist der Maßstab für ein „wirksames Kontrollsystem“ – Unerfüllbares (wie es die langjährige Rechtsprechung vorgibt) führt zu Frustration und verliert ihre Erziehungskraft. Aber dazu äußert sich der Gesetzgeber nur in den Erläuterungen zur jüngsten Novelle und auch nur diffus.
Gesetzlich verankert wird immerhin die Unschuldsvermutung bei Verwaltungsübertretungen, die mit Geldstrafen von über EUR 50.000 bedroht sind. Bisher konnte die Behörde auch in schweren Fällen vermuten, dass der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche (Geschäftsführer oder ein dazu bestellter Mitarbeiter) zumindest fahrlässig vorgegangen ist. Für weniger streng sanktionierte Delikte gilt dieses Prinzip aber weiterhin. „Weil es uns um Fairness geht“, ist zwar der Slogan der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), hat sich aber als Leitprinzip staatlichen Handelns offenbar nicht flächendeckend herumgesprochen. Ob die Schlechterbehandlung sachlich gerechtfertigt ist? Vielleicht wird uns ja der VfGH dazu mittelfristig etwas sagen. Reicht das Argument einfacherer, effizienterer Verwaltungsstrafverfahren als Rechtfertigung aus? Soll der Staat bei geringeren Delikten weniger Sorgfalt walten lassen und die rechtsunterworfenen Schäfchen ohne Handarbeit über einen Kamm scheren dürfen? So ganz ist es ja dann auch nicht im Verwaltungsrecht – aber Überspitzung tut manchmal gut.
Zum Schluss: Streber oder sogenannte gebrannte Kinder unter Ihnen können in der kommenden Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift „ecolex“ einen detaillierten Beitrag von Johannes Barbist zu diesem Thema lesen.
2.) Ein letztes Mal (versprochen!) – das Register für Wirtschaftliche Eigentümer
Wirtschaftsfreundlichkeit macht auch vor dem WiEReG nicht halt. Ab 1. Oktober 2018 schaut die Privatsphäre der wirtschaftlichen Eigentümer auch wieder beim Transparenzregister vorbei – Grund genug, die sonst so hochgehaltene Privatsphäre (↦ Datenschutz) willkommen zu heißen. Worum geht es?
Die Registerbehörde muss auf Antrag die Einsicht ins Transparenzregister einschränken, wenn der vollen Transparenz nachweislich „überwiegende, schutzwürdige Interessen des wirtschaftlichen Eigentümers entgegenstehen (Einschränkung der Einsicht)“. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Einsichtnahme in das Register den wirtschaftlichen Eigentümer einem unverhältnismäßigen Risiko aussetzen würde, Opfer einer in § 10a Abs. 2 WiEReG aufgezählten Straftat zu werden.
Wird die Einschränkung der Einsicht angeordnet, sind die Daten des wirtschaftlichen Eigentümers im Registerauszug nicht mehr ersichtlich. Diese ausnahmsweise Intransparenz kommt spät – rechtstreue Melder haben die Daten ja schon bis 15. August 2018 eingereicht mit der Folge, dass deren wirtschaftliche Eigentümer im Register stehen. Späte [Einschränkung der] Einsicht ist aber besser als gar keine.
Dass es in diesem Zusammenhang zwei Gruppen von Verpflichteten geben wird (jene mit weiterhin voller Einsicht und andere mit eingeschränkter Einsicht), soll an dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden (↦ Verbrennungsgefahr hiermit ausradiert). Ein Wirtschaftsberater soll auch einmal zufrieden sein und sich daran erfreuen, dass der Gesetzgeber schlussendlich doch die unangenehme Lage diverser wirtschaftlicher Eigentümer anerkennt und unter gewissen Voraussetzungen Anonymität gewährt.
Tipp für Begünstigte und andere wirtschaftliche Eigentümer, die in Stiftungen und vergleichbaren Strukturen eingebunden sind und in keinem öffentlichen Register aufscheinen: Prüfen Sie einen Antrag auf Einschränkung der Einsicht – es kann für Sie nur besser werden.
3.) Der Wirtschaftsstandort Österreich „under construction“
Nach langjährigen Genehmigungsverfahren um die Erweiterung des Flughafens Wien und den Bau des Lobautunnels sieht die Bundesregierung dringenden Handlungsbedarf.
Standortrelevante Vorhaben (↦ UVP-pflichtige Vorhaben nach §§ 3 und 3a UVP-G 2000) im besonderen öffentlichen Interesse der Republik Österreich sollen nach dem Ministerialentwurf für ein „Standort-Entwicklungsgesetz“ (StEntG) privilegiert behandelt werden. Wird das Genehmigungsverfahren nicht innerhalb eines Jahres abgeschlossen, würde das StEntG nachhelfen und automatische „Entscheidungsreife“ und „Genehmigung des Vorhabens“ anordnen. Zugleich würde der Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung eingeschränkt.
EU-Recht und nationales Verfassungsrecht könnten diesen Ideen weniger aufgeschlossen gegenüberstehen. Daher wollen wir die aktuelle Berichterstattung an dieser Stelle einmal beenden.
Ihr Feedback ist uns sehr willkommen.
Wir wünschen einen schönen Herbst. Der Klimawandel wird es bei „business as usual“ schon richten.
Kontakt
Johannes Barbist, Partner
barbist@bindergroesswang.at
Regina Kröll, Rechtsanwaltsanwärterin
kroell@bindergroesswang.at
Anian Gruber, Rechtsanwaltsanwärter
an.gruber@bindergroesswang.at
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