Update Arbeitsrecht - Oktober 2019
Aktuelle Gesetzesänderungen und aktuelle EuGH Judikatur
Papamonat
Im Väter-Karenzgesetz (VKG) wird in einem neuen § 1a VKG vorgesehen, dass einem Vater auf sein Verlangen – unbeschadet des Anspruchs auf Karenz – für den Zeitraum von der Geburt eines Kindes bis zum Ablauf des Beschäftigungsverbots der Mutter nach § 5 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MSchG) eine Arbeitsfreistellung im Ausmaß von einem Monat ab Geburt des Kindes zu gewähren ist. Den Antrittszeitpunkt der Freistellung kann der Arbeitnehmer dabei innerhalb des Zeitraums zwischen Geburt des Kindes und dem Ende des Beschäftigungsverbots der Mutter frei wählen.
Die Regelung tritt mit 1.9.2019 in Kraft und gilt für Geburten, deren errechneter Geburtstermin nach deren Inkrafttreten liegt.
Als Voraussetzungen müssen einerseits ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind bestehen und andererseits die Meldefristen an den Arbeitgeber eingehalten werden.
Beabsichtigt der Arbeitnehmer, die Freistellung in Anspruch zu nehmen, hat er gemäß § 1a Abs 3 VKG spätestens drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin seinem Arbeitgeber unter Bekanntgabe des Geburtstermins den voraussichtlichen Beginn der Freistellung anzukündigen (sogenannte Vorankündigung). Bei errechneten Geburtsterminen vor dem 1.12.2019 darf die Vorankündigungsfrist von drei Monaten unterschritten werden.
Weiters hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich von der Geburt seines Kindes zu verständigen und spätestens eine Woche nach der Geburt den Antrittszeitpunkt der Freistellung bekannt zu geben.
Fällt der gemeinsame Haushalt mit dem Kind weg, muss der Arbeitnehmer dies unverzüglich bekannt geben und über Verlangen des Arbeitgebers seinen Dienst wieder antreten.
Der Arbeitnehmer hat während der Dienstfreistellung keinen Entgeltanspruch, kann aber während des Papamonats den Familienzeitbonus in der Höhe von täglich 22,60 Euro, also etwa 700 Euro beziehen. Er erwirbt jedoch mit der Vorankündigung über die Freistellung einen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Dieser beginnt frühestens vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin und endet vier Wochen nach dem Ende der Freistellung. Eine Entlassung kann nur nach Zustimmung des Gerichts ausgesprochen werden.
Werden die Bekanntgabefristen nicht eingehalten, kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dennoch eine Freistellung gemäß § 1a VKG vereinbart werden. Auch in diesem Fall gilt der Kündigungs- und Entlassungsschutz.
Gesetzliche, kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Dienstfreistellungsansprüche, die aus Anlass der Geburt eines Kindes zu gewähren sind, werden auf den Freistellungsanspruch nach § 1a VKG nicht angerechnet. Wenn daher etwa ein Kollektivvertrag einen Anspruch auf eine Dienstfreistellung wegen der Geburt eines Kindes mit zwei Tagen vorsieht, vermindern diese zwei Tage den Freistellungsanspruch nicht.
Im Väter-Karenzgesetz (VKG) wird in einem neuen § 1a VKG vorgesehen, dass einem Vater auf sein Verlangen – unbeschadet des Anspruchs auf Karenz – für den Zeitraum von der Geburt eines Kindes bis zum Ablauf des Beschäftigungsverbots der Mutter nach § 5 Abs 1 Mutterschutzgesetz (MSchG) eine Arbeitsfreistellung im Ausmaß von einem Monat ab Geburt des Kindes zu gewähren ist. Den Antrittszeitpunkt der Freistellung kann der Arbeitnehmer dabei innerhalb des Zeitraums zwischen Geburt des Kindes und dem Ende des Beschäftigungsverbots der Mutter frei wählen.
Die Regelung tritt mit 1.9.2019 in Kraft und gilt für Geburten, deren errechneter Geburtstermin nach deren Inkrafttreten liegt.
Als Voraussetzungen müssen einerseits ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind bestehen und andererseits die Meldefristen an den Arbeitgeber eingehalten werden.
Beabsichtigt der Arbeitnehmer, die Freistellung in Anspruch zu nehmen, hat er gemäß § 1a Abs 3 VKG spätestens drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin seinem Arbeitgeber unter Bekanntgabe des Geburtstermins den voraussichtlichen Beginn der Freistellung anzukündigen (sogenannte Vorankündigung). Bei errechneten Geburtsterminen vor dem 1.12.2019 darf die Vorankündigungsfrist von drei Monaten unterschritten werden.
Weiters hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich von der Geburt seines Kindes zu verständigen und spätestens eine Woche nach der Geburt den Antrittszeitpunkt der Freistellung bekannt zu geben.
Fällt der gemeinsame Haushalt mit dem Kind weg, muss der Arbeitnehmer dies unverzüglich bekannt geben und über Verlangen des Arbeitgebers seinen Dienst wieder antreten.
Der Arbeitnehmer hat während der Dienstfreistellung keinen Entgeltanspruch, kann aber während des Papamonats den Familienzeitbonus in der Höhe von täglich 22,60 Euro, also etwa 700 Euro beziehen. Er erwirbt jedoch mit der Vorankündigung über die Freistellung einen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Dieser beginnt frühestens vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin und endet vier Wochen nach dem Ende der Freistellung. Eine Entlassung kann nur nach Zustimmung des Gerichts ausgesprochen werden.
Werden die Bekanntgabefristen nicht eingehalten, kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dennoch eine Freistellung gemäß § 1a VKG vereinbart werden. Auch in diesem Fall gilt der Kündigungs- und Entlassungsschutz.
Gesetzliche, kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Dienstfreistellungsansprüche, die aus Anlass der Geburt eines Kindes zu gewähren sind, werden auf den Freistellungsanspruch nach § 1a VKG nicht angerechnet. Wenn daher etwa ein Kollektivvertrag einen Anspruch auf eine Dienstfreistellung wegen der Geburt eines Kindes mit zwei Tagen vorsieht, vermindern diese zwei Tage den Freistellungsanspruch nicht.
Anrechnung von Karenzzeiten
Außerdem ist am 1.8.2019 die Novellierung des § 15f MSchG in Kraft getreten nach welcher Zeiten eines Karenzurlaubes, die aufgrund von Geburten ab dem 1.8.2019 in Anspruch genommen werden, künftig für jedes Kind im vollen Umfang auf dienstzeitabhängige Ansprüche angerechnet werden. Der Gesetzeswortlaut „in vollem in Anspruch genommenen Umfang“ ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht ganz exakt gewählt, da auch die novellierte Fassung des § 15f MSchG eine Anrechnung bis zur maximalen Dauer von 24 Monaten pro angetretenem Karenzurlaub vorsieht. Darüberhinausgehende freiwillige Karenzen sind daher auch nach der neuen Rechtslage für dienstzeitabhängige Ansprüche nicht anzurechnen.
Nach der bisherigen Rechtslage war eine Anrechnung von Karenzzeiten lediglich für die erste Karenz im Dienstverhältnis für die Bemessung der Kündigungsfrist, die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Unglücksfall) und das Urlaubsausmaß im Höchstausmaß von insgesamt 10 Monaten vorgesehen.
Mit der Neuregelung des § 15f MSchG ist nunmehr auf gesetzlicher Ebene eine „volle“ Anrechnung für alle dienstzeitabhängigen Ansprüche vorgesehen. Das bedeutet, dass künftig Zeiten eines Karenzurlaubes insbesondere auch (soweit überhaupt noch infrage kommend) bei der Abfertigung alt, beim Jubiläumsgeld oder bei Gehaltsvorrückungen bis zu 24 Monaten zu berücksichtigen sind.
EuGH: Strafsanktionen in Österreich für Nicht-Bereithaltung von Lohnunterlagen bzw. Nicht-Einholung von verwaltungsbehördlichen Genehmigungen verstoßen gegen Unionsrecht
In den verbundenen Rechtssachen (C-64/18, C-140/18, C-146/18 und C-148/18) hat der EuGH auf Grund mehrerer Vorabentscheidungsansuchen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark am 12. September 2019 in seinem Urteil ausgesprochen, dass die Strafsanktionen in Österreich wegen Nicht-Einhaltung von Verpflichtungen zur Bereithaltung von Lohnunterlagen am Einsatzort (früher § 7i Abs 4 AVRAG – jetzt § 28 LSD-BG) bzw. betreffend die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen (§ 28 AuslBG) nicht unionsrechtskonform sind, da sie nicht im einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der zu ahndenden Verstöße stehen.
Der EuGH hielt fest, dass Regelungen für ebendiese Verstöße, die die Verhängung von Geldstrafen vorsehen, die
- einen festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen,
- die kumulativ für jeden betroffenen Arbeitnehmer, ohne Beschränkung zu verhängen sind,
- zu denen zudem ein Verfahrenskostenbeitrag von 20% im Fall der Abweisung einer erhobenen Beschwerde aufgeschlagen wird, und
- die im Fall der Uneinbringlichkeit (der möglichen Millionenstrafen) in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden
nicht in legitimer Weise für die verfolgten Ziele, insbesondere zur Bekämpfung von Sozialbetrug, erforderlich sind und vielmehr eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.
Eine unmittelbare Auswirkung auf die Strafsanktionen des § 28 LSD-BG bzw. § 28 AuslBG bzw. andere ähnliche Strafnormen hat diese EuGH-Entscheidung (vorerst) nicht. Der Gesetzgeber ist nun jedoch am Zug, sowohl die entsprechenden Strafbestimmungen des LSD-BG als auch des AuslBG auf Grund dieses EuGH-Urteils zu reparieren.
Nicht ausgeschlossen ist, dass der Gesetzgeber auf Grund dieses EuGH-Judikats das Thema (unbegrenztes) Kumulationsprinzip bei arbeitsrechtlichen Verwaltungsstrafnormen, wie beispielsweise auch Strafen bei Verstößen gegen Arbeitszeit- bzw. Arbeitsruhegesetznormen, an sich wieder aufgreift.
Keine Berücksichtigung von Optionen auf den Erwerb von Aktien der Konzernmutter bei Berechnung der Abfertigung „alt“
Gemäß § 2a Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) sind Vorteile aus Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers oder mit diesen verbundenen Konzernunternehmen und Optionen auf den Erwerb von Arbeitgeberaktien nicht in die Bemessungsgrundlage für Entgeltfortzahlungsansprüche und Beendigungsansprüche (hier ist insbesondere an die Abfertigung „alt“ zu denken) einzubeziehen. Basierend auf dem Wortlaut des Gesetzes erscheint fraglich, ob dies auch für Optionen auf den Erwerb von Aktien an verbundenen Konzernunternehmen gilt.
In seiner ersten Entscheidung zu § 2a AVRAG (9 ObA 87/19p) setzte sich der OGH nun erstmals mit dieser Frage auseinander.
Im Anlassfall nahm der Arbeitnehmer an einem Aktienoptionsprogramm betreffend Aktien der Konzernmutter des Arbeitgebers teil. Die Aktienoptionen wurden in drei Tranchen jeweils im Abstand von einem Jahr in Aktien umgewandelt. Die Zuteilung der Aktien erfolgte noch während aufrechtem Dienstverhältnis. In weiterer Folge konnte der Arbeitnehmer entscheiden, ob er die Aktien zur Gänze verkauft oder behält. Der Arbeitnehmer entschied sich für die Verwertung der Aktien. Kurz darauf wurde das Dienstverhältnis des Klägers beendet. Der Erlös aus dem Verkauf der Aktien wurde bei der Berechnung der Abfertigung „alt“ nicht berücksichtigt. Dagegen setzte sich der Arbeitnehmer zur Wehr und macht die Abfertigungsdifferenz gerichtlich geltend.
Anders als bei Vorteilen aus Beteiligungen, bei denen sowohl Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers als auch an verbundenen Unternehmen erwähnt werden, nennt § 2a AVRAG im Zusammenhang mit Aktienoptionen nur Optionen auf den Erwerb von Arbeitgeberaktien. Optionen auf den Erwerb von Aktien verbundener Unternehmen finden dagegen keine Erwähnung. Würde man streng auf den Wortlaut des § 2a AVRAG abstellen, könnte man davon ausgehen, dass Optionen auf den Erwerb von Aktien an verbundenen Konzernunternehmen nicht von der Ausnahme umfasst sind und daher bei der Berechnung der Abfertigung „alt“ zu berücksichtigen sind.
Im gegenständlichen Fall verfügte der Arbeitnehmer aber nicht bloß über Optionen betreffend den Erwerb von Aktien der Konzernmutter. Die Aktien waren bereits zugeteilt und vom Arbeitnehmer veräußert worden. Der OGH sprach – wie auch bereits die Vorinstanzen – ganz klar aus, dass der vom Arbeitnehmer erzielte Erlös bei der Berechnung der Abfertigung nicht zu berücksichtigen ist. Er begründete dies damit, dass der Erlös eindeutig unter die erste Alternative des § 2a AVRAG „Vorteile aus Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers oder mit diesen verbundenen Konzernunternehmen“ zu subsumieren ist. Obwohl im konkreten Fall daher nicht entscheidungsrelevant sprach er zudem aus, dass auch Aktienoptionen „Vorteile aus Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers oder mit diesen verbundenen Konzernunternehmen“ sind. Durch diese Qualifikation wären auch Optionen auf den Erwerb von Aktien verbundener Konzernunternehmen bereits von der ersten Alternative des § 2a AVRAG erfasst, sodass für die zweite Alternative des § 2a AVRAG eigentlich gar kein Anwendungsbereich mehr bliebe. Eine nähere Begründung für diese Ansicht hat der OGH aber nicht geliefert.
Dennoch ist auf Grund dieser Entscheidung davon auszugehen, dass nicht nur Optionen auf den Erwerb von Aktien des Arbeitgebers, sondern auch Optionen auf den Erwerb von Aktien eines verbundenen Unternehmens nicht bei der Berechnung von Entgeltfortzahlungsansprüchen oder Beendigungsansprüchen berücksichtigt werden müssen.
Lohnsteuerregress trotz Generalbereinigungsklausel zulässig
Wird der Arbeitgeber vom Finanzamt für Nachforderungen im Zusammenhang mit einer freiwilligen Abfindungszahlung an einen Arbeitnehmer in Anspruch genommen, kann er die Lohnsteuer auch dann vom Arbeitnehmer einfordern, wenn in der Auflösungsvereinbarung eine Generalbereinigungsklausel enthalten ist. Eine solche Klausel steht dem Lohnsteuerregress nicht entgegen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass damit auch Streitigkeiten aus Ansprüchen mitverglichen sein sollen, die erst durch die Auflösungsvereinbarung geschaffen werden.
Das stellte der OGH kürzlich in einer Entscheidung klar (OGH vom 23.07.2019, 9 ObA 74/19a). Der Vorstandsvertrag des beklagten Vorstandsmitglieds wurde einvernehmlich beendet. Der ausscheidende Vorstand erhielt eine Abfindung in Höhe von sechs Bruttomonatsgehältern. Die Vereinbarung enthielt eine beidseitige Generalbereinigungsklausel, wonach „sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem freien Dienstverhältnis/ Anstellungsvertrag“ bereinigt seien. Aufgrund einer späteren gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) musste der Arbeitgeber für diese Abfindung Lohnsteuer nachzahlen. Daraufhin forderte er die nachgezahlte Lohnsteuer vom ehemaligen Vorstandsmitglied zurück. Dieser weigerte sich mit Hinweis auf die Generalbereinigungsklausel, die Steuernachzahlung zu ersetzen.
Nimmt das Finanzamt die Haftung des Arbeitgebers für zu wenig abgezogene Lohnsteuer in Anspruch, tritt der Arbeitgeber in die Rechte des ursprünglichen Gläubigers (Republik Österreich) ein; er ist in einem solchen Fall befugt, vom Arbeitnehmer als Steuerschuldner den Ersatz der bezahlten Schuld gemäß § 1358 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) zu fordern. Das Berufungsgericht grenzte den Umfang der Bereinigungswirkung der Klausel in der Formulierung des vorliegenden Streitfalles ab: Umfasst seien die wechselseitigen Forderungen des Dienstnehmers und des Dienstgebers aus dem bisherigen Vertragsverhältnis, nicht aber Forderungen aus der Abfindungsvereinbarung.
Nach Ansicht des OGH sei der Parteiwille zudem klar darauf gerichtet gewesen, dass die Abfindungszahlung der Höhe nach sechs Bruttomonatsgehälter betragen sollte. Dass dem ausscheidenden Vorstandsmitglied ein bestimmter Nettobetrag zufließen sollte, wurde eben nicht vereinbart. Anders als bei echten Nettolohnvereinbarungen solle daher auch den ehemaligen Vorstand das Steuerrisiko treffen. Hätte die Gesellschaft die Lohnsteuernachforderung durch die Abgabenbehörde zu tragen, hätte dies zur Folge, dass der Vorstand mehr erhalten würde, als es der klaren Vereinbarung einer Abfindungszahlung nach Maßgabe der Bruttomonatsgehälter entspräche.
Beleidigungen am Arbeitsplatz als Entlassungsgrund
Jüngst setzte sich der OGH in zwei Entscheidungen mit Beleidigungen am Arbeitsplatz als Entlassungsgrund auseinander.
In der ersten Entscheidung (OGH 15.5.2019, 9 ObA 29/19h) äußerte ein unzufriedener Angestellter seinen Unmut über seine Versetzung im Rahmen eines firmeninternen Gewinnspiels. Der Angestellte schrieb auf einen vom Arbeitgeber im Wege der Mitarbeiterzeitung zugesandten „Wunschzettel ans Christikind“: „1. PFÄHLT N (Anmerkung: Personalleiter); 2. HÄNGT P (Anmerkung: Vorstandsvorsitzender) + CO; 3. HÖRT AUF ZU LÜGEN, BETRÜGEN + DISKIRIMINIEREN“. Das Namensfeld und das Adressfeld füllte der Angestellte korrekt aus und als Kontakt gab er die E-Mail-Adresse „FUCK-U/SHITON-U“ an. Unmittelbar nach Einlangen des Wunschzettels sprach der Arbeitgeber die Entlassung aus.
Der Arbeitnehmer bekämpfte die Entlassung und begehrte die Fortsetzung des Dienstverhältnisses, die ersten beiden Instanzen gaben seinem Klagebegehren auch statt, da es sich weder um eine ernst gemeinte Drohung noch um eine erhebliche Ehrverletzung durch den Angestellten gehandelt habe. Es habe sich vielmehr um eine Unmutsäußerung, aufgrund der als ungerecht empfundenen beruflichen Situation, gehandelt.
Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und wies das Klagebegehren ab. Er sprach aus, dass sich vom „Christkind“ den Tod oder die Tötung zweier namentlich genannter Vorgesetzter zu wünschen, nichts mit einer noch sozialadäquaten Darlegung der Unzufriedenheit mit einer bestimmten beruflichen Situation zu tun habe, sondern kränkend und herabwürdigend sei. Nach Ansicht des OGH waren die schriftlichen Äußerungen des Angestellten objektiv geeignet in erheblichem Maße ehrverletzend zu wirken und die Entlassung daher gerechtfertigt.
Bereits zuvor wurde der Angestellte wiederholt durch seine harsche und beleidigende Ausdrucksweise auffällig. So äußerte er gegenüber einem Vorgesetzten „I grob die ein“, als dieser ihn über die bevorstehende Versetzung in Kenntnis setzte. Auch gegenüber Mitarbeitern tätigte er Unterstellungen und verstörende Bemerkungen. Anlässlich eines Schlichtungsgesprächs beim Sozialministeriumservice verweigerte der Angestellte dem Vertreter des Arbeitgebers den Handschlag und begrüßte diesen stattdessen mit den Worten „Ich wünsche Ihnen den Tod“. Die Verabschiedung fiel ähnlich harsch aus, indem der Angestellte „Ach fallen Sie doch von mir aus tot um“ zum Vertreter des Arbeitgebers sagte. Darüber hinaus brachte er seine Unzufriedenheit über die berufliche Situation durch das Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „Unzufriedener unterbezahlter Mitarbeiter“ zum Ausdruck.
Erstaunlicherweise wurde der Angestellte nie wegen unangemessenem und beleidigendem Verhalten gegenüber Mitarbeitern oder Vorgesetzten ermahnt. Laut OGH sei die Entlassung aber – auch ohne vorausgegangene Verwarnung – gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung können nämlich auch einmalige empfindliche Ehrverletzungen einen Entlassungsgrund darstellen. Im gegenständlichen Fall machte es die Schwere des Anlassfalles für den Arbeitgeber unzumutbar, den Angestellten in seinem Unternehmen weiter zu beschäftigen. Auch dass der Personalleiter und das Vorstandsmitglied den Verfasser des Wunschzettels aufgrund der Größe des Unternehmens nicht kannten, sei laut OGH unerheblich. Schließlich richteten sich die Beleidigungen des Angestellten gegen den Arbeitgeber in seiner Gesamtheit.
Der OGH sprach außerdem aus, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung – unter anderem argumentierte der Angestellte, dass er sich aufgrund der Meinungsfreiheit vom Christkind wünschen könne was immer er wolle – ebenfalls keinen Freibrief für persönliche Beleidigungen und Verunglimpfungen darstelle.
In einer weiteren Entscheidung (OGH 27.7.2019, 8 ObA 22/19x) hatte sich der OGH mit dem Fall auseinanderzusetzen, dass ein Arbeiter den Mitarbeiter eines Kunden beleidigte und dabei obszön gestikulierte. Der Arbeiter wurde entlassen, bekämpfte die Entlassung und begehrte Kündigungsentschädigung.
Gemäß § 82 Abs 1 lit g Gewerbeordnung 1859 (GewO 1859) stellt es einen Entlassungsgrund dar, wenn ein Arbeiter sich einer groben Ehrenbeleidigung, Körperverletzung oder gefährlichen Drohung gegenüber einem bestimmten Personenkreis, nämlich dem Gewerbeinhaber oder dessen Hausgenossen (Personen, die im selben Haushalt leben), oder gegenüber den übrigen Hilfsarbeitern schuldig macht.
Der OGH stellte fest, dass nicht beim selben Arbeitgeber beschäftigte Personen, etwa ein Lieferant oder sonstige Geschäftspartner, allerdings nicht vom geschützten Personenkreis gemäß § 82 Abs 1 lit g GewO 1859 umfasst seien. Der Zweck dieser Bestimmung sei vor allem die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Betrieb. Ein Fehlverhalten gegenüber z.B. Geschäftspartnern des Arbeitgebers (selbst wenn sich dieser regelmäßig im Betrieb aufhält) habe daher nicht die gleiche Bedeutung wie das Fehlverhalten gegenüber einem Kollegen.
Der OGH sprach daher aus, dass Ehrenbeleidigungen gegenüber Kunden des Arbeitgebers vom Entlassungsgrund des § 82 Abs 1 lit g GewO 1859 nicht umfasst seien. In weiterer Folge prüfte der OGH, ob der Arbeiter durch das beschriebene Verhalten seine Pflichten beharrlich vernachlässigt hat und damit den Entlassungsgrund gemäß § 82 Abs 1 lit f GewO 1859 verwirklicht haben könnte. Das Höchstgericht kam zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger gegenüber dem Mitarbeiter eines Kunden geäußerte Beleidigung begleitet von einer obszönen Geste mangels Wiederholung und Schwere noch keine beharrliche Pflichtverletzung darstelle. Die Entlassung war daher nicht gerechtfertigt.
Zusammengefasst werden Beleidigungen von Kunden bzw. Mitarbeitern eines Kunden nur in besonderen Konstellationen, insbesondere im Wiederholungsfall, einen Entlassungsgrund darstellen. An Vertriebs- oder Kundendienstmitarbeiter bzw. Angestellte in gehobener Position wird jedenfalls ein strengerer Maßstab anzulegen sein. Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen hingegen bilden bei entsprechender Schwere regelmäßig einen Entlassungsgrund.
Verweis im Dienstvertrag auf Arbeitszeitausmaß gemäß Kollektivvertrag – Weitergeltung auch nach Kollektivvertragswechsel
In einer aktuellen Entscheidung (OGH 29.4.2019, 8 ObA 16/19i) hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob durch den im Dienstvertrag enthaltenen Verweis auf das Arbeitszeitausmaß laut anwendbarem Kollektivvertrag dessen Geltung vertraglich vereinbart wurde und daher auch nach einem Kollektivvertragswechsel einzelvertraglich anwendbar bleibt.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt enthielt der Dienstvertrag der Klägerin unter anderem die folgende Klausel: „die wöchentliche Arbeitszeit beträgt derzeit 38,5 Stunden ohne Pausen.“ Auf das Dienstverhältnis gelangte zunächst der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben zur Anwendung, der eine 38,5-Stunden-Woche vorsieht. Nach einem Betriebsübergang galt der Kollektivvertrag für Angestellte im Bereich Spedition und Logistik, der von einer 40-Stunden-Woche ausgeht. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung eines mit dem Arbeitgeber vereinbarten Arbeitszeitausmaßes von 38,5 Stunden pro Woche.
Strittig war im gegenständlichen Fall, ob eine Willenserklärung oder eine Wissenserklärung vorliegt; das heißt, ob die in Frage stehende Äußerung im Dienstvertrag auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet war, die Parteien also verbindlich ein Arbeitszeitausmaß von 38,5 Stunden pro Woche vereinbart haben (Willenserklärung) oder ob nur unverbindlich und deklarativ auf die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit hingewiesen wurde (Wissenserklärung).
In diesem Zusammenhang hält der Oberste Gerichtshof bereits fest, dass im Einzelfall anhand des Wortlauts der Erklärung und allfälliger näherer Umstände, wie im Zusammenhang stehender Erklärungen und/oder Verhaltensweisen der Beteiligten, geprüft werden muss, ob eine Willenserklärung oder eine Wissenserklärung vorliegt. Dabei sind nicht die subjektive Auffassung des Erklärenden oder der Wille der einen oder anderen Partei maßgeblich, sondern wie der Empfänger die Erklärung bei objektiver Betrachtungsweise verstehen musste.
Im vorliegenden Fall gab es keine mündlichen Erörterungen der Vertragsparteien über die Vertragsbestimmungen, insbesondere war nicht feststellbar, wie das Wort „derzeit“ zu verstehen ist.
Der Oberste Gerichtshof entschied, dass für die Klägerin als objektive Erklärungsempfängerin nicht klar erkennbar war, dass mit dem strittigen Passus über das konkrete Ausmaß der Arbeitszeit lediglich informativ die damals aktuelle kollektivvertragliche Normalarbeitszeit wiedergegeben werden sollte. Schließlich wurde an mehreren anderen Stellen des Dienstvertrags ausdrücklich auf den Kollektivvertrag Bezug genommen, in der Bestimmung über das Arbeitszeitausmaß jedoch nicht. Das Wort „derzeit“ deutet nicht zwingend auf eine bloße Wissenserklärung hin, sondern kann auch zum Ausdruck bringen, dass nach derzeitiger Übereinkunft der Vertragsparteien die Arbeitszeit 38,5 Stunden betragen soll. Für die Klägerin gilt daher das einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeitausmaß von 38,5 Stunden auch nach dem Kollektivvertragswechsel weiter.
Da Fragestellungen dieser Art vor allem bei Kollektivvertragswechseln häufig auftreten, ist anzuraten, im Dienstvertrag klarzustellen, dass Verweise auf Regelungen des derzeit anwendbaren Kollektivvertrags keinen vertraglichen Anspruch auf deren Weitergeltung begründen sollen, wenn sich der gesetzlich anwendbare Kollektivvertrag ändern sollte.