Europäische Kommission – Leitlinie zu persönlicher Schutzausrüstung / Medizinprodukte 

Durch die Corona-Krise steigt der Bedarf an Schutzausrüstung. Die Europäische Kommission versucht hier, auf mehreren Ebenen zu helfen, zuletzt etwa durch eine zentrale Beschaffung von Masken, Handschuhen, Schutzbrillen und medizinischen Beatmungsgeräten und Tests. Am 27. März 2020 hat die Europäische Kommission nunmehr eine Leitlinie zum Konformitätsbewertungsverfahren für (potenzielle) Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung („PSA“) und Medizinprodukten („MP“) in FAQ-Form („Leitlinie“) herausgegeben. Die Leitlinie erläutert die anwendbaren Rechtsgrundlagen und legt die grundsätzlichen Regeln für das Inverkehrbringen von PSA und MP dar.

Ein Großteil der benötigten Erzeugnisse sind EU-rechtlich einheitlich geregelt („harmonisierte Produkte“). Die betroffenen Produkte unterfallen entweder der Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstungen („PSA Verordnung“) oder der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte („MP Richtlinie“) samt nationalen Umsetzungsvorschriften (in Österreich primär das Medizinproduktegesetz). Ursprünglich sollte die MP Richtlinie am 26. Mai 2020 durch die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte („MP Verordnung“) ersetzt werden. Die Kommission hat aber bereits am 25. März 2020 angekündigt, die Anwendbarkeit der MP Verordnung um ein Jahr verschieben zu wollen. Ein entsprechender Kommissionsvorschlag wird für Anfang April 2020 erwartet. Damit sollen die Unternehmen in der derzeitigen Krise nicht auch mit einem geänderten regulatorischen Rahmen belastet werden.

Die PSA Verordnung wie auch die MP Richtlinie

  • sehen grundlegende Anforderungen an die Gesundheit, Sicherheit und Leistung vor.
  • sind technologieneutral ausgestaltet (Hersteller können also eine Reihe von technischen Lösungen verwenden, um die jeweils vorgesehenen grundlegenden Anforderungen zu erfüllen).
  • ermöglichen Herstellern, spezifische technische Lösungen heranzuziehen, die in harmonisierten Normen ausgeführt sind (z.B. EN 149:2001+A1:2009 für FFP-Masken und EN 14683:2019 für OP-Masken, verfügbar unter https://standards.cen.eu/dyn/www/f?p=CENWEB:5). Die Hersteller dürfen von derartigen Standards zwar grundsätzlich abweichen; Hersteller, die diese Standards einhalten, können ihre Produkte allerdings rascher in Verkehr bringen (die Erfüllung der grundlegenden Erfordernisse muss nicht gesondert nachgewiesen werden).

Für den vorliegenden Zusammenhang ist folgende (grob dargestellte) Unterscheidung relevant:

1. Medizinprodukte

  • der Risikoklasse I (z.B. Untersuchungshandschuhe und nicht sterile Kittel) unterliegen einer „Selbst-Bewertung“ durch den Hersteller
  • einer höheren einer höheren Risikoklasse (z.B. OP-Handschuhe, chirurgische Masken) müssen hingegen durch eine entsprechende Prüfstelle freigegeben werden.

2. Persönliche Schutzausrüstung

  • Kategorie I erfasst geringfügige Risiken, wie oberflächliche mechanische Verletzungen, Schädigung der Augen durch Sonneneinstrahlung und Witterungsbedingungen nicht extremer Art. Zu Kategorie I zählen Produkte wie Gartenhandschuhe oder Sonnenbrillen.
  • Kategorie II dient als Auffangkategorie für Risiken, die nicht den Kategorien I oder III unterfallen. Produkte dieser Kategorie sollen primär Schutz vor mechanischen Risiken bieten, wie z.B. Arbeitsschutzhelme und Sicherheitsschuhe.
  • Kategorie III umfasst ausschließlich Risiken, die zu sehr schwerwiegenden Folgen, wie Tod oder irreversiblen Gesundheitsschäden, etwa durch gesundheitsgefährdende Stoffe, Stromschlag und schädlichen Lärm führen können. In diese Kategorie gehören z.B. Rettungswesten, Gehörschutz sowie PSA zum Schutz vor Kettensägenschnitten.


PSA der Kategorien II und III müssen von einer entsprechenden Prüfstelle auf ihre Konformität mit der PSA Verordnung geprüft und freigegeben werden. Die derzeit viel diskutierten FFP-Atemschutzmasken werden als PSA III eingestuft und sind vor dem Inverkehrbringen einer Prüfung zu unterziehen.

Die Kommission will die Leitlinie regelmäßig ergänzen, um auf allfällige weitere Fragen einzugehen, die sich für die Wirtschaftsakteure im Zusammenhang mit den genannten Rechtsgrundlagen stellen.

 

 

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