Geschäftsführerhaftung – Vereinbarte (kürzere) Verfallsfristen nichtig
In der Praxis werden in Dienstverträgen häufig Verfallsfristen vereinbart, die gesetzliche Verjährungsfristen verkürzen. Auch Geschäftsführerdienstverträge, enthalten häufig derartige Verfallsbestimmungen. In einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH vom 26. August 2020, 9 ObA 136/19v) wurde nun klargestellt, dass eine Einschränkung der Geschäftsführerhaftung nach dem GmbH-Gesetz (GmbHG) durch vertragliche Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist nichtig und damit unwirksam sei.
Im vorliegenden Fall hatte es ein Geschäftsführer verabsäumt, ein geeignetes Kontrollsystem im Sinne des § 22 GmbHG einzurichten und dadurch ermöglicht, dass eine auf Basis eines Werkvertrags beschäftigte Buchhalterin über einen längeren Zeitraum bei zwei Gesellschaften, bei denen er als handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt war, unbemerkt unberechtigte Überweisungen auf ihr eigenes Konto sowie unberechtigte Entnahmen aus der Handkassa tätigen konnte.
Als die Unregelmäßigkeiten entdeckt und aufgearbeitet waren, wurde der Geschäftsführer entlassen. In der Folge machten die beiden Gesellschaften gegen den Geschäftsführer Schadenersatzansprüche für Schäden geltend, die aus den Malversationen der Buchhalterin resultierten.
Der beklagte Geschäftsführer versuchte sich im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzung insbesondere damit zu rechtfertigen, (i) dass er lediglich das bestehende Kontrollsystem der Gesellschaften übernommen und weitergeführt habe, (ii) ihm für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume bereits Entlastung erteilt worden sei und insbesondere (iii) dass die Geltendmachung der Schadenersatzansprüche verspätet wäre, da die in seinem Geschäftsführervertrag vereinbarte 4-monatige Verfallsfrist versäumt worden sei.
Die Gesellschaften beriefen sich hinsichtlich der Haftung des Geschäftsführers auf die Haftungsbestimmung des § 25 GmbHG. Nach § 25 GmbHG verjähren Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer in 5 Jahren.
Bislang bestand noch keine Judikatur des OGH, ob diese 5-jährige Verjährungsfrist vertraglich – zB wie im vorliegenden Fall durch eine 4-monatige Verfallsfrist – verkürzt werden darf oder diese Bestimmung zwingend ist.
Der OGH stellte nun klar, dass eine Verkürzung der 5-jährigen Verjährungsfrist des § 25 GmbHG im Vorhinein nicht zulässig ist. Laut OGH sei eine derartige Verkürzung in einem Dienstvertrag, wenn Ansprüche weder bekannt noch absehbar sind bzw. auch noch nicht beurteilt werden kann, ob diese zur Befriedigung von Gläubigern erforderlich sind, nicht mit dem Schutzzweck des GmbHG in Einklang zu bringen. Der Geschäftsführer könne sich daher im konkreten Fall nicht auf die vereinbarte kürzere Verfallsfrist berufen.
Auch die weiteren Abwehrargumente des beklagten Geschäftsführers gingen ins Leere. Unabhängig davon, dass es im Zuge des Geschäftsführerverhältnisses konkrete aktualisierte Konzernvorgaben zur Einrichtung von Kontrollmaßnahmen gab, hielt der OGH fest, dass es auf der Hand liege, dass ein bestehendes, übernommenes Kontrollsystem regelmäßig evaluiert und angepasst werden müsse, um sicherzustellen, dass es nach wie vor den Erfordernissen des Unternehmens entspricht. Diese Aufgabe obliege jedenfalls dem handelsrechtlichen Geschäftsführer.
Die vom beklagten Geschäftsführer ins Treffen geführte regelmäßige Entlastung im Sinne des § 35 GmbHG sei laut OGH im Konkreten auch nicht haftungsbefreiend gewesen. Eine wirksame Entlastung erfolge laut herrschender Rechtsprechung nur hinsichtlich aller Tatsachen, die aus den von den Geschäftsführern vorgelegten Unterlagen erkennbar sind, über die berichtet wurde oder die den Gesellschaftern auf andere Weise bekannt geworden sind. Weder die Malversationen der Buchhalterin noch die mangelhafte Kontrolle waren den Gesellschaftern aber bekannt oder für diese erkennbar.
Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass eine vertragliche Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche gegen Geschäftsführer nach dem GmbHG unzulässig ist und solche Ansprüche, im konkreten Fall Schadenersatzansprüche auf Grund eines mangelhaften Kontrollsystems, bis zum Ende der Verjährungsfrist von 5 Jahren geltend gemacht werden können.
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