„Handysicherstellung“ NEU – Die Beschlagnahme von Daten und Datenträgern
Mit Gesetzesantrag vom 20.11.2024 schlagen ÖVP und Grüne eine umfassende Neuregelung der strafprozessualen Regelungen über den behördlichen Zugriff auf Daten(träger) vor. Das entsprechende Gesetz soll bis Jahresende beschlossen werden. Nachfolgend ein erster Überblick zu den geplanten Regelungen.
Wesentlich ist, dass der strafbehördliche Zugriff auf Daten(träger) nun grundsätzlich im Wege der Beschlagnahme und damit nur mehr auf Basis einer vorab einzuholenden gerichtlichen Bewilligung erfolgen soll. Auch die Aufbereitung und Auswertung der beschlagnahmten Daten soll detailliert geregelt werden.
Ablauf der Beschlagnahme und der weiteren Auswertung
- Der strafbehördliche Zugriff auf Daten(träger) bedingt den begründeten Verdacht, dass durch den Zugriff beweiserhebliche Tatsachen gewonnen werden können, die für die Aufklärung einer bestimmten Straftat wesentlich sind. Umfasst sind Datenträger (USB, Festplatte, Smartphone), Daten auf externen Quellen (Cloud-/Serverdaten) und Daten auf Datenträgern, die von den Strafverfolgungsbehörden zuerst aus anderen Gründen sichergestellt wurden (zB zur Spurensicherung).
- Der Zugriff erfolgt durch die Beschlagnahme des Datenträgers oder der Daten. Die Beschlagnahme ist durch die StA aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und wird durch die KriPo ausgeführt. Ein Zugriff der KriPo auf die Daten(träger) im Zuge der Sicherung ist zulässig, um eine Vorselektion zu ermöglichen (zB Beschlagnahme abgrenzbarer Daten auf Unternehmensservern).
In der gerichtlich bewilligten Anordnung müssen die zu beschlagnahmenden Daten nach Kategorie (zB Kommunikationsdaten, Metadaten, Fotos, Videos, Standortdaten), Inhalt (Ermittlungsgegenstand) und relevantem Zeitraum umschrieben werden.
- Im Anschluss an die Beschlagnahme erstellen die KriPo oder die IT-technischen Hilfskräfte der StA eine Kopie des beschlagnahmten Datenbestands und bereitet die Daten „gefiltert“ nach Kategorie, Inhalt und Zeitraum gemäß der gerichtlich bewilligten Anordnung auf („Datenaufbereitung“). Jene Beschuldigten und Opfer, deren Daten(träger) beschlagnahmt wurden, haben das Recht, die Ergebnisse dieser Datenaufbereitung einzusehen.
- Ausschließlich das Ergebnis der derart aufbereiteten und eingegrenzten Daten ist von der StA (unter Einbindung der KriPo) inhaltlich auszuwerten („Datenauswertung“). Dies kann mittels im Ermittlungsakt zu dokumentierender Suchbegriffe erfolgen, wobei alle Beschuldigten und Opfer zusätzliche Suchparameter beantragen können. Nur ermittlungsrelevante Ergebnisse dieser inhaltlichen Auswertung (Beweismittel zu erheblichen Tatsachen) dürfen von der StA zum Akt genommen werden und sind letztlich ermittlungsgegenständlich und Teil der Akteneinsicht.
Umgang mit Zufallsfunden
Zufallsfunde – dh Beweismittel, die im Zuge der inhaltlichen Auswertung der aufbereiteten Daten gefunden werden und auf eine andere strafbare Handlung als die für die Beschlagnahme ausschlaggebende hinweisen – dürfen (weiterhin) verwendet werden; die StA hat dazu einen neuen Akt anzulegen.
Sicherstellung bei Gefahr im Verzug
In Ausnahmefällen darf die KriPo Datenträger ohne vorherige staatsanwaltschaftliche Anordnung und gerichtliche Bewilligung vorläufig sicherstellen (und sofern erforderlich darauf zugreifen und Daten auswerten), insbesondere bei Betretung auf frischer Tat, wenn andernfalls ein Datenverlust drohen würde oder in bestimmten Fällen zur Aufenthaltsermittlung flüchtiger Beschuldigter. Die Voraussetzungen für die Sicherstellung sowie ein allfälliger Datenzugriff sind von der KriPo zu dokumentieren.
Wird die gerichtliche Bewilligung im Anschluss nicht erteilt (oder deren Bewilligung durch die StA gar nicht erst beantragt), sind alle Daten und daraus gewonnenen Ermittlungsergebnisse zu vernichten und dürfen nicht verwertet werden.
Ausnahme für „punktuelle Daten“ und öffentliche Bild-/Tonaufnahmen
Ausgenommen von den Neuregelungen sind punktuelle Daten oder Daten von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen / öffentlich zugänglichen Orten (zB Aufzeichnungen einer Überwachungskamera). In diesen – in der Praxis häufig vorkommenden – Fällen kann weiterhin über Anordnung der StA ohne gerichtliche Bewilligung sichergestellt werden.
Der Umfang der „punktuellen Daten“ ist unklar. Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich um Daten, die ein bestimmtes, zeitlich eng begrenztes vertragliches oder öffentlich-rechtliches Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis betreffen, wie zB Kundenkarteien, einzelne Krankenbefunde, Versicherungspolizzen, § 57a StVO-Begutachtungen oder einzelne Dokumente aus der Buchhaltung. Keinesfalls umfasst sollen Daten einer Nachrichtenübermittlung, geographische Standorte sowie gesendete, übermittelte oder empfangene Nachrichten sein.
(Recht auf) Vernichtung von Daten
Die Nichteinhaltung der formellen Voraussetzungen für die Beschlagnahme oder die ausnahmsweise Sicherstellung durch die KriPo führt dazu, dass alle Daten zu vernichten sind und nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen (Beweisverwertungsverbot).
Gleiches gilt, wenn gegen die gerichtliche Bewilligung der Beschlagnahme erfolgreich Beschwerde erhoben wurde und das OLG zum Ergebnis kommt, dass kein Anfangsverdacht vorlag.
Beschuldigte und Personen, die von der Datenauswertung betroffen sind, haben das Recht, die Vernichtung jener Daten zu beantragen, die nicht ermittlungsrelevant sind oder nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen.
Kontrolle durch den/die Rechtsschutzbeauftragte(n)
Der gesamte Vorgang der Beschlagnahme, Aufbereitung und Auswertung von Daten(trägern) unterliegt der Kontrolle der Rechtsschutzbeauftragten. Diese/r ist bei jeder Beschlagnahme von Daten(trägern) zu informieren und hat in bestimmten Fällen für die gerichtliche Bewilligung der Beschlagnahme seine/ihre Ermächtigung zu erteilen (zB Berufsgeheimnisträger, Journalisten).
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