Bewilligungspflicht bei nur virtueller Arbeitskräfteüberlassung?
Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) regelt die Überlassung von Arbeitskräften sowohl innerhalb Österreichs als auch vom bzw. ins Ausland. Für Überlassungen an Unternehmen in Drittstaaten ist gemäß § 16 Abs 2 AÜG eine behördliche Bewilligung erforderlich, welche nur erteilt wird, wenn keine arbeitsmarktlichen oder volkswirtschaftlichen Gründe dagegen sprechen und der Schutz der Arbeitskräfte gewährleistet ist. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) befasste sich in einer aktuellen Entscheidung (29.04.2025, Ro 2024/11/0002) mit der Frage, ob diese Bewilligungspflicht auch bei rein virtuellen Tätigkeiten von Arbeitskräften, die von Österreich aus an Unternehmen in Drittstaaten (also ohne physischen Grenzübertritt) überlassen werden, besteht.
Konkret hatte ein österreichisches Unternehmen (mit Gewerbeberechtigung für Arbeitskräfteüberlassung) im Zeitraum von Juli 2021 bis April 2023 insgesamt 44 Arbeitskräfte an Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU (Drittstaaten) überlassen. Die betroffenen Arbeitnehmer*innen erbrachten ihre Tätigkeiten ausschließlich „remote“, blieben also physisch in Österreich. Da das Unternehmen vor Beginn der Überlassungen keine Bewilligungen gemäß § 16 Abs 2 AÜG eingeholt hatte, wurde gegen den nach außen Vertretungsbefugten eine Verwaltungsstrafe verhängt. Dieser ging gegen die verhängte Strafe vor und beschritt die Instanzen bis zum VwGH, der die Revision als zulässig erachtete, da es zur Rechtsfrage, ob die Anwendbarkeit des § 16 Abs 2 AÜG – und damit die behördliche Bewilligungspflicht – einen physischen Ortswechsel der Arbeitnehmer*innen voraussetze, bislang keine Rechtsprechung gab .
Der VwGH stellte nunmehr klar, dass die Bewilligungspflicht nach § 16 Abs 2 AÜG nicht an einen physischen Grenzübertritt der Arbeitnehmer gebunden sei und daher auch für reine „remote“-Tätigkeiten gelte, bei denen die Arbeitskräfte physisch in Österreich verbleiben würden.
Dies begründete der VwGH zunächst mit dem Wortlaut der Regelung. Aus dem „neutral gehaltenen Wortlaut“ der Bestimmung, nach der Überlassungen „von Österreich in das Ausland“ einer Bewilligung bedürfen würden, könne laut VwGH keine Voraussetzung für einen physischen Grenzübertritt abgeleitet werden. Auch aus dem Schutzzweck der Bestimmung ergebe sich nicht die Notwendigkeit eines physischen Grenzübertritts, da die Bewilligungspflicht laut VwGH nicht nur dem Schutz der Arbeitskräfte diene, sondern auch arbeitsmarktliche und volkswirtschaftliche Gründe verfolge. Der VwGH argumentierte, dass der Schutz der Arbeitskräfte zwar in diesem Fall nicht gefährdet gewesen sei (insbesondere da die Arbeitnehmer in Österreich (sozialversichert) blieben), volkswirtschaftliche oder arbeitsmarktliche Interessen dennoch eigenständig berücksichtigt werden müssten und gegen eine Bewilligung sprechen könnten.
Zum Beispiel seien volkswirtschaftliche Interessen betroffen, wenn Fachkräfte an Unternehmen in sanktionierten Staaten (virtuell) überlassen würden. Zum Schutz des österreichischen Arbeitsmarkts müsse beispielsweise berücksichtigt werden, ob dringend benötigte Fachkräfte für ausländische Unternehmen tätig seien, auch wenn sie dabei physisch in Österreich bleiben würden. Daher würden der Wortlaut und Zweck des §16 Abs 2 AÜG keinen Raum für eine Ausnahme bei virtuellen Tätigkeiten lassen, wenn diese grenzüberschreitend erfolgen.
Praxistipp: Diese Entscheidung hat aus unserer Sicht nicht nur Auswirkungen auf Überlassungen von Österreich in Drittstaaten, sondern auch hinsichtlich Überlassungen aus Drittstaaten nach Österreich (deren Bewilligung grundsätzlich nur unter noch strengeren Voraussetzungen erteilt wird). Auch für diese wird die Bewilligungspflicht vor dem Hintergrund dieser Entscheidung auch bei rein „virtueller“ Überlassung vorliegen. Arbeitgeber*innen müssen daher bei rein „virtueller“ grenzüberschreitender Überlassung von Arbeitskräften in oder aus Drittstaaten vor Beginn der Überlassung eine Bewilligung einholen. Selbst wenn die Bewilligung erteilt wird, da die Voraussetzungen vorliegen, ist die Bewilligung zeitgerecht einzuholen, um diese rechtzeitig vor Start der geplanten Überlassung zu erhalten. Ohne die erforderliche Bewilligung drohen Geldstrafen von EUR 1.000 bis EUR 5.000 (im Wiederholungsfall höher).
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