Update Arbeitsrecht - Juli 2018
Wir freuen uns, Ihnen in unserem Newsletter einen Überblick über die Neuerungen im Arbeitszeitrecht sowie praxisrelevante arbeitsrechtliche Rechtsprechung des letzten Quartals geben zu dürfen:
Änderung des Arbeitszeitgesetzes bzw. des Arbeitsruhegesetzes ab 1. September 2018
Am 5. Juli 2018 beschloss der Nationalrat wesentliche Änderungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und des Arbeitsruhegesetzes (ARG). In der Folge dürfen wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten ab 1. September 2018 geltenden Änderungen und einige der wesentlichsten Umsetzungsfragen in der Praxis geben:
Änderung der höchstzulässigen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit
Die wohl prominenteste der Änderungen ist, dass die höchstzulässige tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit generell – und nicht nur in bestimmten Sonderfällen – auf 12 Stunden bzw. 60 Stunden erhöht wird. Die 11. und 12. tägliche Arbeitsstunde kann jedoch von den Arbeitnehmern grundsätzlich ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden (Stichwort „Freiwilligkeit“). Zudem können die Arbeitnehmer wählen, ob sie die Mehrleistungen in Geld oder als Zeitausgleich abgegolten bekommen wollen.
Zu einer Änderung der Normalarbeitszeit von generell 8 Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich kommt es jedoch nicht. Im Wesentlichen handelt es sich bei der Erhöhung der höchstzulässigen Arbeitszeiten daher um eine Maßnahme, die einen größeren Spielraum für grundsätzlich zuschlagspflichtige Mehrleistungen bietet.
Ein für die Praxis durchaus spannender Aspekt besteht darin, inwiefern auf Basis der bisherigen Gesetzeslage vereinbarte sogenannte „All-in-Vereinbarungen“ (also eine vereinbarte Abgeltung aller Mehrleistungen durch Überzahlung zum Grundgehalt) auch Mehrleistungen zwischen 10 und 12 Stunden pro Tag bzw. 50 und 60 Stunden wöchentlich abdecken. Dies wird anhand der konkreten Vertragsbestimmungen beurteilt werden müssen und könnte im Einzelfall zum Streitfall führen. Es müsste dann im Einzelfall der Wille der beiden Vertragsparteien vor dem Hintergrund ausgelegt werden, was die Vertragsparteien geregelt hätten, wenn sie über die Neuregelung Bescheid gewusst hätten. Neu abzuschließende Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern könnten in diesem Zusammenhang schnell Klarheit für beide Seiten schaffen, sofern die Formulierung der Vereinbarung nicht ausreichend klar ist.
Änderung der höchstzulässigen Überstundenleistung
Bisher durften maximal 10 Überstunden pro Woche erbracht werden, wobei grundsätzlich lediglich ein Kontingent von 5 Überstunden pro Woche und weiteren 60 Überstunden pro Jahr zur Verfügung stand. Bei idealer Verteilung durften daher maximal 320 Überstunden pro Jahr erbracht werden.
Die Änderung des AZG erhöht dieses Überstundenkontingent zum einen deutlich, wird es aber auch deutlich flexibilisieren. Künftig ist es zulässig, maximal 20 Überstunden pro Woche zu erbringen. Dies jedoch unter der (EU-rechtlichen) Vorgabe, dass innerhalb eines grundsätzlich 17-wöchigen Durchrechnungszeitraums im Durchschnitt maximal 48 Stunden gearbeitet werden darf. Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei idealer Verteilung (8 Überstunden pro Woche) 416 Überstunden pro Jahr erbracht werden dürfen.
Auch im Zusammenhang mit dieser Änderung stellt sich in der Praxis im Zusammenhang mit schon bisher abgeschlossenen „All-in-Vereinbarungen“ die Frage, inwiefern die nunmehr mögliche höhere Überstundenleistung von der bisherigen Vereinbarung umfasst ist. Wie bereits erwähnt, muss in der Praxis die getroffene Vereinbarung im Einzelfall für diese Beurteilung überprüft werden.
Erweiterung der Ausnahmen vom Geltungsbereich des AZG/ARG
Eine der für die Praxis wesentlichsten Änderungen betrifft uE die Erweiterung des Personenkreises der von den Bestimmungen des AZG bzw. ARG ausgenommenen Arbeitnehmern. Bislang hatte der österreichische Gesetzgeber die Möglichkeiten im Rahmen der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) bestimmte Personengruppen von den Bestimmungen auszunehmen nicht voll ausgeschöpft. Insbesondere werden neben den „leitenden Angestellten“ nun auch „sonstige Arbeitnehmer denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist“ vom Geltungsbereich des AZG und des ARG ausgenommen. Grundvoraussetzung für die Ausnahme der „sonstigen Arbeitnehmer denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist“ ist jedoch, dass die Arbeitszeit nicht gemessen wird oder im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt wird.
Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint die Reichweite dieser neuen Ausnahmebestimmung durchaus fraglich. Auf europäischer Ebene werden unter derartigen Arbeitnehmern bestimmte hochrangige Führungskräfte verstanden, deren gesamte Arbeitszeit nicht gemessen oder im Vorhinein festgelegt wird, da sie nicht dazu verpflichtet sind, zu festgelegten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern über ihre Arbeitszeiteinteilung selbst entscheiden können. In der Begründung des dem Nationalratsbeschluss zu Grunde liegenden Initiativantrags finden sich jedoch zu der geplanten Bestimmung Ausführungen, dass die neue Ausnahmeregelung die 3. Führungsebene bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen miteinbeziehen soll. In der Praxis wird wohl erst die Rechtsprechung entsprechende Konkretisierungen im Hinblick auf den Anwendungskreis bringen.
Im Hinblick auf die neu ausgenommenen Arbeitnehmer hat die Neuerung insbesondere den Effekt, dass auch für solche Arbeitnehmer keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt werden müssen und insbesondere die gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen bzw. Grenzen im Hinblick auf Überstundenleistungen nicht zur Anwendung gelangen.
Im Hinblick auf die Entlohnung der dann ausgenommenen Arbeitnehmer hat diese Änderung wohl kaum einen Effekt, da diese Gruppe von Arbeitnehmern üblicherweise vom Anwendungsbereich des jeweils anwendbaren Kollektivvertrags erfasst ist, der regelmäßig insbesondere die Normalarbeitszeit und die Entlohnung von Mehrleistungen festlegt.
Neue allgemein zugängliche Ausnahme für Wochenend- und Feiertagsruhe
Eine in den Medien weniger intensiv diskutierte, aber sehr wichtige Flexibilisierungsmöglichkeit bringt eine neue Ausnahmebestimmung von der Wochenend- und Feiertagsruhe bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf.
Das wesentlich Neue an dieser Bestimmung ist, dass sie grundsätzlich branchenunabhängig für alle Unternehmen gilt. Ausgenommen werden jedoch ausdrücklich Verkaufstätigkeiten nach dem Öffnungszeitengesetz.
Alle Unternehmen werden zukünftig demnach die Möglichkeit haben, Arbeitnehmer an maximal 4 Wochenenden oder Feiertagen (pro Arbeitnehmer) einzusetzen, wobei die 4 Wochenenden nicht hintereinanderliegen dürfen. Voraussetzung ist, dass eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird oder in Betrieben ohne Betriebsrat dies mit den Arbeitnehmern schriftlich vereinbart wird. Sofern die Betriebsvereinbarung bzw. die schriftliche Einzelvereinbarung für wiederkehrende Ereignisse abgeschlossen werden soll, muss der auslösende Anlass umschrieben werden.
Wie auch bei der 11. und 12. täglichen Arbeitsstunde können die Arbeitnehmer die Arbeitsleistung an Wochenenden bzw. Feiertagen grundsätzlich ohne Angabe von Gründen ablehnen.
Änderung der höchstzulässigen Normalarbeitszeit bei gleitender Arbeitszeit
Ein insbesondere in den Medien breit diskutiertes Thema ist die Erhöhung der höchstzulässigen Normalarbeitszeit bei gleitender Arbeitszeit von bislang 10 auf 12 Stunden täglich.
Eine Erhöhung der Normalarbeitszeit auf 12 Stunden ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Arbeitnehmer Zeitguthaben ganztägig verbrauchen dürfen und ein Verbrauch im Zusammenhang mit der wöchentlichen Ruhezeit (also im Regelfall im Zusammenhang mit einem Wochenende) nicht ausgeschlossen wird.
Sofern ein Arbeitnehmer in Gleitzeit künftig bis zu 12 Stunden täglich arbeiten möchte, kommt es grundsätzlich zu keiner zuschlagspflichtigen Mehrleistung. Sofern Mehrleistungen ihren Ursprung in einem Eingriff des Arbeitgebers in das zeitliche Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers, insbesondere durch unmittelbare Anordnung von Mehrleistungen, haben, kommt es so wie schon bisher (nur eben mit einem größeren Spielraum) zu zuschlagspflichtigen Mehrleistungen.
In der Praxis wird es häufig notwendig sein, die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen bzw. Einzelvereinbarungen neu abzuschließen, um in den Genuss der Vorteile der neuen Regelungen zu kommen, da klargestellt wurde, dass insbesondere bestehende Gleitzeitvereinbarungen, die in Betriebsvereinbarungen geregelt wurden, aufrecht bleiben.
Vom Betriebsübergang erfasst oder nicht erfasst? Das ist beim überlassenen Arbeitnehmer die Frage.
Betriebsübergänge können je nach Unternehmensstruktur zu komplexen Rechtsfragen führen. Der OGH (OGH vom 21.3.2018, 9 ObA 19/18m) beantwortet in seiner jüngsten Entscheidung einige dieser Fragen. Laut der Entscheidung war der Kläger ca. 31 Jahre bei der E GmbH (Überlasser) angestellt und wurde im Rahmen des „AM - Projektes“ als überlassener Arbeitnehmer bei der A KG (Veräußerer) für etwa 10 Monaten eingesetzt. Aufgrund einer Neuausschreibung wurde der Sub-Auftrag zum „AM – Projekt“ an die A AG (Erwerber) vergeben. Beim Wechsel des Subauftragnehmers fand ein Betriebsteilübergang iSd § 3 Abs 1 AVRAG statt. Veräußerer und Erwerber schlossen zusätzlich eine Vereinbarung ab, nach der der Erwerber als Arbeitgeber in die im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehenden Arbeitsverhältnisse eintrat. Der Vereinbarung beigeschlossen war eine Anlage, in der die Mitarbeiter genannt waren, die übernommen werden sollten. Der Veräußerer verschwieg dem Erwerber bewusst, dass in der Anlage auch der überlassene Arbeitnehmer genannt war.
Bereits das OLG Wien ging davon aus, dass keine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber stattgefunden hat. Eine Vertragsübernahme des Arbeitsvertrages wäre nur dann möglich gewesen, wenn der Arbeitsvertrag direkt zwischen dem Arbeitnehmer und dem Veräußerer besteht. Zwar hatte der Überlasser sein Einverständnis zum geplanten Übergang des Arbeitsvertrages gegeben, da aber der Veräußerer in der Vereinbarung im eigenen Namen auftrat und sich aus dieser Vereinbarung bewusst kein Hinweis auf ein agieren im Namen des Überlassers ergab, ging bereits das OLG Wien zutreffend davon aus, dass es zu keiner Vertragsübernahme des überlassenen Arbeitnehmers kam.
Somit hatte der OGH noch die Frage zu klären, ob der Arbeitsvertrag des überlassenen Arbeitnehmers ex lege durch den Betriebsübergang auf den Erwerber übergegangen ist. Gemäß § 3 Abs 1 AVRAG tritt der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse des Veräußerers ein. Bei überlassenen Arbeitskräften besteht die Besonderheit darin, dass das Arbeitsverhältnis nicht gegenüber dem Veräußerer, sondern gegenüber einem Dritten besteht, der überlassene Arbeitnehmer jedoch faktisch im Betrieb des Veräußerers arbeitet. Die bisherige österreichische Rechtsprechung lehnte einen Übergang des Arbeitsvertrages der zu einem Dritten besteht, mangels vertraglicher Beziehung zum Veräußerer ab.
Seit der EuGH jedoch in der Rechtssache Albron entschied, dass bei einem Betriebsübergang Arbeitsverträge überlassener Arbeitskräfte auf den Erwerber übergehen können, war diese österreichische Rechtssprechungslinie nicht mehr gesichert. In der Rechtssache Albron, hatte der Konzern „Heineken International“ das gesamte Personal in der Tochtergesellschaft „HNB“ konzentriert. Dieses fungierte als zentraler Arbeitgeber und stellte Personal zu den verschiedenen Gesellschaften des Heinekenkonzerns, darunter die „Heineken Nederland“, ab. Albron übernahm in der Folge den Geschäftsbetrieb der Heineken Nederland und es stellte sich die Frage, ob auch die Arbeitsverträge der überlassenen Arbeitnehmer der „HNB“ auf Albron iSd Betriebsübergangsrichtlinie übergegangen sind. Das Wesentliche an dieser Entscheidung ist, dass der betroffene Arbeitnehmer während seiner gesamten Beschäftigungsdauer von rund 20 Jahren, von seinem Arbeitgeber ständig an ein anderes Unternehmen abgestellt worden war. Auch der OGH betont in seiner Entscheidung, dass im Regelfall die nicht vertraglichen Arbeitnehmer, die nicht ständig, also bloß vorübergehend abgestellt sind, vom Betriebsübergang nicht erfasst werden. Das bloße Vorliegen eines Konzerns ist für den OGH nicht ausschlaggebend, jedoch gesteht er dem Umstand, dass in der Rechtssache Albron alle Arbeitnehmer bei einer einzigen Konzerngesellschaft konzentriert waren, eine gewisse Bedeutung zu.
Da aber im konkreten Fall der überlassene Arbeitnehmer für ein bestimmtes Projekt nur rund 10 Monate abgestellt war und der Kläger gar nicht behauptete, ständig abgestellt worden zu sein, verneinte der OGH eine ständige Abstellung und damit den Übergang des Arbeitsvertrages auf den Erwerber.
Zusammengefasst kann ein Arbeitsvertrag eines überlassenen Arbeitnehmers bei einem Betriebsübergang nur dann übergehen, wenn er ständig im Betrieb des Veräußerers abgestellt ist. Ab welchem Zeitraum von einem „ständigen Abstellen“ die Rede sein kann, lässt der OGH offen. Jedenfalls nicht ausreichend waren im konkreten Fall 10 Monate, wobei die überlassene Arbeitskraft im Anlassfall für ein bestimmtes Projekt abgestellt war. Ist jedoch eine dauerhafte Überlassung geplant, könnte eine ständige Überlassung allenfalls schon früher angenommen werden.
Rückkehr aus der Elternkarenz - Zuweisung einer anderen Tätigkeit zulässig?
Wenn Arbeitnehmer aus der Elternkarenz zurückkehren, stehen Arbeitgeber oft vor einer schwierigen Aufgabe: Die alte Position des Arbeitnehmers wurde nachbesetzt und eine zweite, gleiche Position gibt es insbesondere in KMUs nur selten. Daraus ergibt sich die Frage, ob aus der Elternkarenz zurückkehrende Arbeitnehmer Anspruch darauf haben, nach ihrer Rückkehr in ihrer früheren Position wieder beschäftigt zu werden oder ob der Arbeitgeber sie in einer anderen Verwendung einsetzen kann. Der OGH hat sich zu dieser in der Praxis heiklen Problemstellung in einem aktuellen Beschluss (OGH vom 27.2.2018, 9 ObA6/18z) geäußert.
Im vom OGH behandelten Fall wurde die Klägerin „vornehmlich zur Verrichtung folgender Arbeiten aufgenommen: Verkäuferin“. Der Arbeitgeber behielt sich jedoch bereits im Arbeitsvertrag vor, der Klägerin auch eine andere Dienstverwendung zuzuweisen bzw. sie in anderen Betriebsstätten einzusetzen (Versetzungsvorbehalt). Die Klägerin war in der Folge einige Jahre als Verkäuferin in einer Filiale tätig. Nach rund 4 Jahren wechselte die Klägerin in die Zentrale, wo sie für den Einkauf im Online-shop zuständig war. Diese Tätigkeit übte sie bis zum Antritt ihrer Elternkarenz aus.
Als sie aus der Elternkarenz (in Elternteilzeit) zurückkehrte, wurde ihr mitgeteilt, dass sie aufgrund von „Sparmaßnahmen“ wieder als Verkäuferin in einer Filiale eingesetzt werde. Die Klägerin widersprach dieser Versetzung und brachte die verfahrensgegenständliche Feststellungsklage ein.
In seinem Beschluss hält der OGH zunächst einleitend fest, dass bei Inanspruchnahme einer Elternkarenz für diesen befristeten Zeitraum die Arbeits- und Entgeltpflichten ruhen. Nach der Rückkehr aus der Elternkarenz sind Arbeitnehmer sodann im Rahmen ihrer vertraglich vereinbarten und tatsächlich ausgeübten Tätigkeit weiter zu beschäftigen.
In der Folge streicht der OGH klar hervor, dass eine Zuweisung einer mit der vor der Karenz ausgeübten identen Tätigkeit jedoch nicht erforderlich ist. Auch ändere sich an einem vertraglich vereinbarten Versetzungsvorbehalt durch die Elternkarenz nichts.
Bei der Beurteilung, zu welcher Tätigkeit Arbeitnehmer verpflichtet sind, ist laut OGH miteinzubeziehen, ob sich durch den anderweitigen Einsatzbereich des Arbeitnehmers eine (zumindest) konkludente Änderung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit ergibt. Aus der bloßen Tatsache der längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz kann aber laut OGH nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sich auf diese Weise der als vereinbart angesehene Aufgabenkreis auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit beschränkt.
Im konkreten Fall behauptete die Klägerin jedoch nicht, dass es zu einer (konkludenten) Änderung des Tätigkeitsbereichs kam. Auch sonst behauptete sie keine besonderen Umstände, die ins Treffen geführt werden könnten. Die Zuweisung der Tätigkeit als Verkäuferin erfolgte daher zu Recht.
Zusammengefasst stellt der OGH in seinem Beschluss klar, dass weder eine Elternkarenz, noch die bloße Beschäftigung in einem bestimmten Tätigkeitsbereich vor Antritt der Elternkarenz, die Möglichkeit des Arbeitgebers, Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsvertrags andere Tätigkeiten oder einen anderen Arbeitsort zuzuweisen, einschränkt.
Wesentlich für die Möglichkeit Arbeitnehmer flexibel einsetzen zu können, ist in der Praxis einen vertraglichen Versetzungsvorbehalt zu vereinbaren und den Arbeitnehmern auch vorab nicht unbedacht Zusagen im Hinblick auf ihre spätere Verwendung nach Rückkehr aus der Elternkarenz zu machen.
Transparenz bei Ersatz von Ausbildungskosten
Die Aus- und Weiterbildung von Personal ist in vielen Unternehmen ein großes, auch kostenintensives, Thema. Umso wichtiger ist es den meisten, erlangtes Know-how langfristig an das Unternehmen zu binden oder widrigenfalls zumindest die für die Weiterbildung angefallenen Kosten ersetzt zu bekommen. In der Praxis kann dies durch Vereinbarungen mit dem Arbeitnehmer erreicht werden. Ausbildungskosten umfassen in diesem Zusammenhang in der Regel nicht nur die Kosten der jeweiligen Ausbildungsmaßnahme, sondern auch die Entgeltfortzahlung während der Dienstfreistellung des Arbeitnehmers, damit dieser an der Ausbildungsmaßnahme teilnehmen kann. Auch diese Kosten können grundsätzlich vom Arbeitgeber zurückverlangt werden.
In erster Linie ist die Möglichkeit, Ausbildungskosten zurückzufordern, von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig. Eine Rückerstattung ist - vereinfacht ausgedrückt - dann nicht möglich, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den Arbeitgeber zurückzuführen ist. Wesentlicher Anwendungsfall, in dem die Rückerstattungspflicht bestehen kann, ist die Arbeitnehmerkündigung.
Da die Vereinbarung zur Rückerstattung der Ausbildungskosten eine Einschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers darstellt, werden vom österreichischen Gesetzgeber gewisse Anforderungen an eine solche Vereinbarung gestellt: Generell ist für jede einzelne Ausbildung vorab eine gesonderte, schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abzuschließen. Eine allgemeine Klausel im Dienstvertrag reicht hier nicht aus. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass die Verpflichtung zum Rückersatz grundsätzlich nur für eine Dauer von maximal 4 Jahren bestehen darf und sich der Rückzahlungsanspruch aliquot, berechnet für jeden zurückgelegten Monat, verringert.
Darüber hinaus haben die Vereinbarungen aus Gründen der Transparenz die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten zu beinhalten, damit der Arbeitnehmer die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einschätzen kann. Dies gilt insbesondere, wenn zusätzlich das während der Ausbildung fortgezahlte Entgelt vom Arbeitnehmer ersetzt werden soll. Diese Ansicht bestätigte der OGH in einer aktuellen Entscheidung zu diesem Thema wieder (OGH 27. Februar 2018, 9 ObA 7/18x). In dieser Entscheidung hielt der OGH fest, dass es hinsichtlich des fortgezahlten Entgelts nicht ausreiche, wenn lediglich auf „1/60 der Kosten“ verwiesen werde und kein Hinweis auf das zeitliche Ausmaß der Dienstfreistellung enthalten sei.
In der Praxis sollte daher darauf geachtet werden, dass Vereinbarungen, in denen der Arbeitnehmer zur Rückerstattung von Ausbildungskosten und er damit verbundenen Dienstfreistellung verpflichtet wird, transparent gestaltet sind und soweit möglich eine betragliche Präzisierung der einzelnen Posten enthalten, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die finanzielle Tragweite einer Selbstkündigung ausreichend einschätzen zu können.
Aktuelle Judikatur zur Entgeltfortzahlung und der Bemessungsgrundlage für Beendigungsansprüche
In letzter Zeit hatte sich der OGH wiederholt mit den Themen Entgeltfortzahlung und Berechnung der Beendigungsansprüche auseinanderzusetzen:
Für die Berechnung von Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung ist grundsätzlich das regelmäßige Entgelt als Bemessungsgrundlage heran zu ziehen. Das bedeutet, dass auch regelmäßig geleistete Überstunden einzuberechnen sind. In einer kürzlich ergangenen Entscheidung (OGH 27.02.2018, 9 ObA 144/17t) hatte der OGH zu beurteilen, ob das auch dann gilt, wenn die geleisteten Überstunden immer durch Zeitausgleich vergütet wurden. Nur jene Überstunden, die vor dem Ende des Dienstverhältnisses nicht mehr durch Zeitausgleich ausgeglichen werden konnten, wurden im Rahmen der Endabrechnung ausbezahlt. Der OGH sprach klar aus, dass es im Fall einer einmaligen Ausbezahlung der Überstunden am regelmäßigen Charakter fehlt. Die bisher durch Zeitausgleich abgegoltenen Überstunden sind daher nicht für die Berechnung der Beendigungsansprüche zu berücksichtigen.
In einer weiteren Entscheidung des OGH (OGH 21.03.2018, 9 ObA 105/17g) stellte sich die Frage, ob ein Arbeitnehmer eine Arbeitsverhinderung ausreichend gemeldet und sich so den Anspruch auf Entgeltfortzahlung gewahrt hat.
Der OGH wiederholte zunächst, dass Arbeitnehmer grundsätzlich nur den Beginn des Krankenstands melden müssen, um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu sichern. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe u.a. der voraussichtlichen Dauer, besteht nur auf Verlangen des Arbeitgebers (dieses kann auch wiederholt werden). Im gegenständlichen Fall gab der Arbeitnehmer nach der ersten Meldung des Krankenstandes auf Nachfrage des Arbeitgebers bekannt, wann er voraussichtlich wieder einsatzfähig sein werde. Als für den Arbeitnehmer klar war, dass sich die Rückkehr zur Arbeit noch weiter verzögern werde, informierte er den Arbeitgeber, dass er erst am nächsten Tag wieder zur Arbeit kommen würde. Der Arbeitnehmer erschien jedoch nicht zur Arbeit und meldete sich auch nicht beim Arbeitgeber. Daraufhin wurde die Entgeltfortzahlung eingestellt.
Der OGH stellte klar, dass eine Prognose über die voraussichtliche Dauer grundsätzlich keine weiteren Meldepflichten des Arbeitnehmers auslöst und zwar selbst dann nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als prognostiziert dauert. Die Aussage, dass er am nächsten Tag wieder arbeitsfähig sei, wurde vom OGH jedoch – anders als die Prognose über die voraussichtliche Dauer - als Meldung des Endes des Krankenstandes gesehen. Der Arbeitgeber konnte daher berechtigt davon ausgehen, dass er am nächsten Tag zum Dienst erscheinen werde. Der Arbeitnehmer wäre daher dazu verpflichtet gewesen, den Arbeitgeber über die neuerliche oder fortdauernde Dienstverhinderung zu informieren. Auf Grund der Verletzung dieser Meldepflicht entfiel daher der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung.
Zum Thema Entgeltfortzahlung hatte sich der OGH (OGH 21.03.2018, 9 ObA 13/18d) zudem mit dem Verhältnis zwischen Feiertagsentgelt und Krankenentgelt auseinander zu setzen. Gemäß § 9 Abs 1 Arbeitsruhegesetz (ARG) behält der Arbeitnehmer für die infolge eines Feiertags ausgefallene Arbeit seinen Anspruch auf Entgelt. §2 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der durch Krankheit an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, seinen Anspruch auf das Entgelt bis zum Erreichen der im EFZG festgelegten Maximaldauer behält. Der OGH wiederholte dazu seine bisherige Rechtsprechung, dass ein Feiertag (sofern nicht zulässigerweise Feiertagsarbeit vereinbart wurde), nicht in diese Maximaldauer der Entgeltfortzahlung einzurechnen ist. Die Dauer der Entgeltfortzahlungspflicht verlängert sich somit um diesen Feiertag. Sofern die Entgeltfortzahlungspflicht jedoch über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus besteht, ist ein Feiertag nicht in die Maximaldauer einzurechnen, weil kein gesetzlicher Anspruch mehr auf Feiertagsentgelt und daher keine Konkurrenz zwischen EFZG und ARG mehr besteht.
Vor kurzem wiederholte der OGH auch seine bisherige Rechtsprechung, dass ein Zeitausgleichguthaben selbst dann konsumiert wird, wenn der Arbeitnehmer an diesem Tag erkrankt. Er stellte auch klar, dass dies auch dann der Fall ist, wenn der Zeitausgleich einseitig angeordnet wurde (OGH 06.04.2018, 9 ObA 10/18p).
In diesem Zusammenhang ist abschließend darauf hinzuweisen, dass es ab 01. Juli 2018 zu gesetzlichen Änderungen zum gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit kommt. Im Wesentlichen werden die Entgeltfortzahlungsregelungen für Arbeiter und Angestellte angeglichen. Dadurch kommt es einerseits zu Verbesserungen, da bereits nach dem ersten Dienstjahr Anspruch auf volle Entgeltfortzahlung für 8 Wochen besteht und andererseits zu Verschlechterungen, da die Wiedererkrankungsregelungen für Angestellte wegfallen und es für jedes Dienstjahr nur mehr einen einheitlichen „Anspruchstopf“ gibt.
Kontakt
Horst Lukanec
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