Änderung der Arbeitszeitlage als Form der Elternteilzeit - Interessenabwägung
Das Mutterschutzgesetz (MSchG) sieht auch das bloße Begehren auf Änderung der Arbeitszeitlage (ohne Reduktion des Stundenausmaßes) als Elternteilzeit an. Sofern zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmerin keine Einigung über die Änderung der Arbeitszeitlage erzielt werden kann, haben Arbeitgeber*innen die Möglichkeit, Klage gegen die von der Arbeitnehmerin vorgeschlagene Änderung der Arbeitszeitlage zu erheben und selbst einen (Gegen-)Vorschlag zu unterbreiten. Im Verfahren obliegt es dem Gericht im Rahmen einer Interessenabwägung entweder für die Variante der Arbeitnehmerin oder für den Gegenvorschlag des*der Arbeitgeber*in zu entscheiden. Im konkreten Fall (Arbeits- und Sozialgericht Wien (ASG Wien) vom 05.04.2022, 2 Cga 1/22p) sah der Gegenvorschlag des Arbeitgebers durchschnittlich drei Wochenenddienste im Monat vor. Nach Ansicht des ASG Wien war dieser Vorschlag für die Arbeitnehmerin aufgrund der fehlenden Betreuungsmöglichkeit am Wochenende nicht zumutbar, weshalb das Gericht – trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers durch die Corona-Pandemie – ein Überwiegen der Interessen der Arbeitnehmerin annahm.
Nach § 15p MSchG haben erwerbstätige Mütter einen Anspruch auf Änderung der Arbeitslage bis maximal zum Ablauf des siebten Lebensjahres ihres Kindes oder einem späteren Schuleintritt, wenn 1. das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat, 2. sie zu diesem Zeitpunkt in einem Betrieb mit mehr als 20 Arbeitnehmern beschäftigt sind, 3. sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben und 4. sich der andere Elternteil nicht gleichzeitig für dasselbe Kind im Karenz befindet. Damit wird ermöglicht, die Arbeitszeiten betreuungsbedingt verschieben zu können, ohne dabei Stunden reduzieren zu müssen.
Im konkreten Fall war eine Arbeitnehmerin seit 16. Mai 2018 bei einem Unternehmen mit 119 Service- Mitarbeitern in 25 Café- und Konditoreifilialen in Wien und Umgebung beschäftigt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden, erstreckte sich von Montag bis Sonntag und wurde im Vorhinein je nach Bedarf, einseitig vom Arbeitgeber festgelegt. Nach Geburt ihres zweiten Kindes machte die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit geltend. Sie begehrte insbesondere ab Beendigung ihrer Karenz ab 15. April 2022 im Rahmen fixer Arbeitszeiten tätig zu sein und zwar von Montag bis Freitag jeweils von 08:30 Uhr bis 17:00 Uhr.
Da keine Einigung über die Lage der Arbeitszeit erzielt werden konnte, brachte der Arbeitgeber schließlich Klage auf Antritt der Elternteilzeit zu seinen Bedingungen ein, wobei er einen Dienstplan mit durchschnittlich 3 Wochenenddiensten im Monat vorschlug. Im Verfahren brachte der Arbeitgeber insbesondere vor, dass die begehrte Lage der Arbeitszeit der Arbeitnehmerin das betriebsinterne System auf den Kopf stelle und nur mit unzumutbarem Zusatzaufwand durchgeführt werden könne. Darüber hinaus seien im Geschäftszweig der Gastronomie Arbeitszeiten an Wochenenden und Feiertagen üblich und eine Einschränkung auf Montag bis Freitag führe zu einer ungerechtfertigten Besserstellung gegenüber sämtlichen Kollegen der Arbeitnehmerin. Selbst bei Vorliegen gewichtiger Interessen der Arbeitnehmerin, würden die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers überwiegen.
Die Arbeitnehmerin wandte ein, dass für sie nicht nachvollziehbar sei, warum die von ihr begehrten Arbeitszeiten unmöglich sein sollten, vor allem sei sie bereits nach der Geburt ihres ersten Kindes so eingesetzt worden. Zudem sei sie die ganze Woche allein für die Kinderbetreuung zuständig und die Öffnungszeiten des Kindergartens seien nicht mit den vom Arbeitgeber beantragten Arbeitszeiten vereinbar. Darüber hinaus sei das Wochenende die einzige Möglichkeit mit der Familie zusammenzukommen. Sie habe daher ein berechtigtes Interesse an der Lage der Arbeitszeit wie von ihr gewünscht.
Das ASG Wien hielt fest, dass zwischen dem Vorschlag der Arbeitnehmerin und jenem des*der Arbeitgeber*in eine Interessenabwägung vorzunehmen sei. Das Gericht kann sich entweder dem Vorschlag des*der Arbeitgeber*in oder der Arbeitnehmerin anschließen, kann aber nicht einen eigenen „Lösungsvorschlag“ auferlegen. Nach Ansicht des Gerichts konnte sich die Arbeitnehmerin nicht darauf verlassen, dass ihr Ehemann (aufgrund seiner Berufstätigkeit in Tirol und der schwierigen Situation der Ehe) oder ihre Mutter, die im Ausland lebt, die Kinderbetreuung am Wochenende übernehmen. Daher folgte das ASG Wien der Ansicht der Arbeitnehmerin, dass eine Wochenendtätigkeit im Ausmaß von drei ganzen Wochenenden im Monat nicht möglich sei. Ein nach Meinung des Senats durchführbarer Vorschlag eine Arbeitszeit an Wochenenden für zwei Samstage und einen Sonntag unterbreitete der Arbeitgeber nicht.
Aus der Judikatur im Zusammenhang mit Begehren auf Elternteilzeit lässt sich generell die Tendenz erkennen, dass die Interessenabwägung häufig zugunsten des Vorschlags der Arbeitnehmerin ausfällt. Wenn das Gericht aber, wie im gegenständlichen Fall, einen Kompromissvorschlag unterbreitet, ist es dem*der Arbeitgeber*in wohl im Regelfall zu empfehlen, den Kompromissvorschlag des Gerichts zu seinem*ihrem Vorschlag zu erheben, damit das Gericht in diesem Sinne entscheiden kann, und nicht auf seinem*ihrem ursprünglich erhobenen Gegenvorschlag zu beharren.