Entlassung wegen Missachtung der angeordneten Absonderung als Corona-Verdachtsfall
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte sich erneut mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses im Zusammenhang mit Covid-19 auseinanderzusetzen. Im vorliegenden Fall (OGH vom 14.09.2021, 8 ObA 54/21f) ging es insbesondere um die Frage, ob die Entlassung einer Dienstnehmerin (im konkreten Fall handelte es sich um eine Vertragsbedienstete), die trotz behördlicher Absonderung zur Arbeit erschien, berechtigt ist.
Die Dienstnehmerin unterzog sich am 15.03.2020 einer Testung auf Covid-19. In der Folge wurde eine behördliche Absonderung bis zum Vorliegen des Testergebnisses angeordnet. Die Dienstnehmerin ging trotz der Absonderungsanordnung am nächsten Tag in die Arbeit, ohne den Dienstgeber über die behördlich angeordnete Absonderung zu informieren. Am 17.03.2020 erhielt die Klägerin schließlich ein positives Testergebnis. Daraufhin mussten alle 23 in der Abteilung der Dienstnehmerin tätigen Personen für 14 Tage in Quarantäne. Der Dienstgeber sprach am 18.03.2020 zu Mittag eine Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit aus.
Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt hatte und wiesen daher das Klagebegehren auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ab.
Im Verfahren bestritt die Klägerin nicht, die angeordnete Absonderung als Covid-19 Verdachtsfall missachtet zu haben. Nach der Ansicht der Klägerin sei die Entlassung aber unberechtigt, da es dafür nicht auf die Missachtung der behördlichen Absonderung ankäme, sondern ob sie im konkreten Zeitpunkt tatsächlich an Covid-19 erkrankt war oder nicht. Mit einem ein Jahr später eingeholten negativen Antikörpernachweis versuchte sie das Nichtvorliegen einer Erkrankung zum damaligen Zeitpunkt zu beweisen. Der OGH führte hierzu aus, dass der Klägerin bereits das Ignorieren der Absonderungsanordnung, obwohl ein positives Testergebnisses nicht auszuschließen war, vorzuwerfen sei. Damit habe sie eine Gefährdung der Gesundheit ihrer Kollegen und der Interessen des Dienstgebers an einem reibungslosen Dienstbetrieb in Kauf genommen. Der OGH betrachtete insbesondere die darin zum Ausdruck kommende Einstellung der Klägerin als problematisch.
Darüber hinaus waren dem unmittelbaren Vorgesetzten entgegen der Argumentation der Klägerin, dass sie mangels Symptome nicht annehmen durfte an Covid-19 erkrankt zu sein, „über ein normales Hüsteln hinausgehende Symptome erkennbar“. Die Klägerin erwiderte auf Nachfrage des Vorgesetzten nur sie habe kein Fieber und fühle sich „soweit gut“, verschwieg aber gänzlich die Testung auf Covid-19 am Vortag.
Zusätzlich verwies die Klägerin auf die gesamtgesellschaftliche Verunsicherung im ersten Lockdown. Nach der Ansicht des OGH wäre aber eine strikte Befolgung einer behördlichen Anordnung durch die damalig vorherrschende Verunsicherung im ersten Lockdown umso mehr notwendig gewesen.
Darüber hinaus wendete die Klägerin ein, dass der Ausspruch der Entlassung verspätet erfolgt sei. Insbesondere weil diese erst am 18.03.2020 zu Mittag erfolgte, dem Dienstgeber das (die Entlassung begründende) Verhalten aber bereits am 17.03.2020 in der Früh bekannt war. Allgemein müssen Entlassungen zeitlich nahe zu dem auslösenden Ereignis ausgesprochen werden, da ansonsten eine Verfristung des Rechts zur Entlassung eintreten kann. Dies beruht auf dem Gedanken, dass die Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers nicht als unzumutbar anzusehen ist, wenn auf das Verhalten nicht sofort mit einer Entlassung reagiert wird. Dem OGH zufolge habe der Dienstgeber im konkreten Fall aber kein Verhalten gesetzt, dass eine Verzeihung des Fehlverhaltens der Klägerin nahelegen könnte. Der Dienstgeber habe vor allem entgegen der Behauptung der Klägerin die Dienstleistung der Klägerin nicht anstandslos noch fast zwei Tage hingenommen, sondern die ganze Abteilung wurde am 17.03.2020 in der Früh in Quarantäne geschickt.
Zusammengefasst bestätigte der OGH die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Dienstnehmerin, die trotz behördlicher Absonderung zur Arbeit erschienen ist, den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt hatte. Für die Praxis ist wesentlich, dass bei Verstößen gegen behördliche Auflagen im Zusammenhang mit Covid-19 arbeitsrechtliche Sanktionen (bis hin zur Entlassung) möglich sein können.
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