Kündigung wegen einer Nebenbeschäftigung während der Elternteilzeit
Dienstnehmer in Elternteilzeit genießen grundsätzlich einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Dieser gilt jedoch nicht bei verbotener Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit. Die Kündigung muss dann allerdings binnen 8 Wochen ab Kenntnis der weiteren Erwerbstätigkeit ausgesprochen werden. In einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH vom 14.9.2021, 8 ObA 55/21b) war die Kündigung einer Dienstnehmerin, die während der Elternteilzeit ohne Zustimmung des Dienstgebers eine selbstständige Nebentätigkeit aufnahm, nicht rechtzeitig.
Die Dienstnehmerin, eine Fachärztin für plastische Chirurgie, war bei einer Universität beschäftigt. Nach der Geburt ihres Kindes befand sie sich ab Oktober 2018 in Elternteilzeit und nahm im darauffolgenden November eine selbstständige Nebentätigkeit mit eigener Ordination, im Bereich der Durchführung von plastisch-chirurgischen und ästhetischen Behandlungen auf. Noch im selben Monat meldete sie der Personalabteilung ihres Dienstgebers die Aufnahme dieser Nebentätigkeit. Daraufhin wurden mit der Dienstnehmerin mehrere Mitarbeitergespräche zum Thema „Untersagung der beantragten Nebenbeschäftigung“ geführt. Schließlich wurde die Dienstnehmerin im Juni 2019, während aufrechter Elternteilzeit, aufgrund der aufgenommenen Nebentätigkeit nach der Bestimmung des § 15n Abs 3 Mutterschutzgesetz (MSchG) gekündigt.
Die Dienstnehmerin klagte ihren Dienstgeber in der Folge auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis trotz der Kündigung weiterhin aufrecht sei, weil der Dienstgeber die Kündigung nicht binnen 8 Wochen ab Kenntnis der selbstständigen Nebentätigkeit ausgesprochen habe. §15n Abs 3 MSchG erlaubt zwar die Kündigung einer Dienstnehmerin, ohne dass die Zustimmung des Gerichts eingeholt werden muss, allerdings muss die Kündigung nach dieser Bestimmung binnen 8 Wochen ab Kenntnis der aufgenommenen Erwerberstätigkeit ausgesprochen werden.
Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht gaben der Klage der Dienstnehmerin statt, weil sie zum Schluss kamen, dass der Dienstgeber bereits Ende 2018 von der aufgenommenen Nebentätigkeit wusste und somit das Kündigungsfenster von 8 Wochen ab Kenntnis der weiteren Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt der Kündigung bereits geschlossen war.
Der Dienstgeber argumentierte, dass sich die bekanntgegebene Nebenbeschäftigung inzwischen wesentlich geändert habe, da die Dienstnehmerin nun auch Operationen in anderen Krankenhäusern durchführt und somit nicht nur selbstständig im Rahmen ihrer eigenen Ordination tätig sei. Dementsprechend würde eine neue Nebenbeschäftigung vorliegen und die Kündigungsfrist des §15n Abs 3 MSchG hätte von neuem zu laufen begonnen. Der OGH kam jedoch zum Schluss, dass diese Tätigkeiten zum vollen Spektrum einer selbstständigen Fachärztin gehören und dementsprechend von der im November 2018 bekanntgegeben Nebentätigkeit mitumfasst sind.
Im gegenständlichen Fall erfolgte die Kündigung somit verspätet und das Dienstverhältnis blieb weiterhin aufrecht.
Für die Praxis bedeutet dies, dass der Dienstgeber bei Bekanntwerden einer Nebentätigkeit von Dienstnehmern, die sich in Elternteilzeit befinden, schnell reagieren muss, sofern er eine Kündigung aussprechen möchte.
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