Sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Betriebsratsverständigung und Kündigungsausspruch
Zwischen der gemäß § 105 Abs 1 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), erforderlichen Verständigung des Betriebsrats von einer beabsichtigen Kündigung eines Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber und dem Ausspruch der Kündigung muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) hängt die Frage, ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, von den Umständen des Einzelfalls ab.
Mit der Beurteilung, ob der Dienstgeber nach dem Ausspruch einer rechtsunwirksamen Kündigung einer Dienstnehmerin, für den neuerlichen Ausspruch abermals den Betriebsrat verständigen hätte müssen oder die Verständigung vor der ersten (unwirksamen) Kündigung ausreicht, hatte sich der OGH kürzlich auseinanderzusetzen (OGH vom 02.09.2021, 9 ObA 86/21v).
Im vorliegenden Sachverhalt verständigte der Dienstgeber den Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung einer Dienstnehmerin und erhielt dessen Zustimmung. Nachdem die Kündigung gegenüber der Dienstnehmerin ausgesprochen wurde, gab diese an, in den Tagen zuvor eine Fehlgeburt erlitten zu haben und belegte dies mit einem entsprechenden ärztlichen Attest. Die Kündigung war demnach gemäß § 10 Abs 1a Mutterschutzgesetz (MSchG) rechtsunwirksam, da sie innerhalb der Schutzfrist von 4 Wochen nach einer Fehlgeburt erfolgte. Der Dienstgeber gab gegenüber der Klägerin die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung auch schriftlich bekannt. Nach Ablauf der Schutzfrist sprach der Dienstgeber die Kündigung neuerlich zum nächstmöglichen Termin aus. Eine neuerliche Verständigung des Betriebsrats von der beabsichtigten Kündigung erfolgte nicht.
Die Dienstnehmerin begehrte die Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses mit dem Argument, dass durch die Rücknahme der ersten Kündigung durch den Dienstgeber auch die Zustimmung des Betriebsrats ihre Wirksamkeit verloren habe.
Der OGH führte dazu aus, dass nach der Rechtsprechung ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang anzunehmen ist, wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen wird. Weiters sei der Fall, dass eine Kündigung wegen Rechtsunwirksamkeit wiederholt wird, als ein typischer Fall für so einen Zusammenhang anzusehen. Der OGH hielt auch ausdrücklich fest, dass eine „unwirksame Kündigung nicht die Verständigung konsumiert“.
Im vorliegenden Fall kam der OGH zum Schluss, dass eine Durchbrechung des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Verständigung des Betriebsrats und der nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist neuerlich ausgesprochenen Kündigung nicht abzuleiten ist.
Für die Praxis bedeutet dies, dass eine rechtsunwirksame Kündigung unter gewissen Umständen ohne neuerliche Verständigung des Betriebsrats wiederholt werden kann. Wichtig ist aber ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der ursprünglichen Betriebsratsverständigung und dem neuerlichen Ausspruch der Kündigung. Daher ist anzuraten, den Kündigungsausspruch jedenfalls so rasch wie möglich (im konkreten Fall unmittelbar nach Ablauf der Schutzfrist) vorzunehmen.
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