Aktuelle Gesetzesänderungen bei Karenz, Elternteilzeit und Pflege sowie bei der Altersteilzeit
Wie bereits in unserem Law Blog vom 18.10.2022 berichtet, wurde nun – mit einiger Verzögerung – die Umsetzung der Richtlinie (EU) des europäischen Parlaments und des Rates zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige im Nationalrat beschlossen. Ziel der Richtlinie ist die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern hinsichtlich der Chancen auf dem Arbeitsmarkt und der Behandlung am Arbeitsplatz, indem es den Eltern und pflegenden Angehörigenerleichtert wird, Beruf und Familienleben miteinander zu vereinbaren. Im Hinblick auf die nationale Umsetzung bestand in Österreich vor allem Anpassungsbedarf bei der Nichtübertragbarkeit der zwei Monate Karenz, dem Ausbau des Motivkündigungsschutzes und diversen Begründungspflichten sowie bei den Freistellungsansprüchen für pflegende Angehörige. Abgesehen von der Umsetzung dieser Richtlinie wurden auch Änderungen im Zusammenhang mit der Altersteilzeit, insbesondere hinsichtlich der geblockten Altersteilzeit beschlossen.
Diesbezüglich wurden nun Änderungen im Mutterschutzgesetz (MSchG), Väterkarenzgesetz (VKG), Urlaubsgesetz (UrlG), Angestelltengesetz (AngG), Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) sowie in weiteren Gesetzen vorgenommen. Untenstehend dürfen wir Sie über die wichtigsten Änderungen sowie die damit verbundenen (etwaigen) Konsequenzen informieren.
Änderungen bei der Elternkarenz
Bisher bestand ein Anspruch auf Elternkarenz bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes, auch wenn ausschließlich ein Elternteil die Karenz in Anspruch genommen hat. Abweichend von der bisherigen Regelung zur Elternkarenz kommt dem Vater oder der Mutter nur mehr ein Karenzanspruch bis zum Ablauf des 22. Lebensmonats des Kindes zu, sofern die Elternkarenz von beiden Elternteilen nicht geteilt wird. Daher besteht nach der neuen Rechtslage nun grundsätzlich auch eine Verpflichtung zur Aufnahme der Arbeit nach 22 Monaten, sollte kein Ausnahmefall nachgewiesen werden (siehe sogleich bei den Ausnahmen). Nur bei geteilter Karenz (d.h., wenn der jeweils andere Elternteil zumindest zwei Monate lang selbst Elternkarenz in Anspruch nimmt) besteht insgesamt ein Anspruch auf Elternkarenz bis zum 24. Lebensmonat. Durch diese Änderung soll die durch die Richtlinie vorgeschriebene Nichtübertragbarkeit von zwei Monaten Elternurlaub umgesetzt werden, welche die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern und eine gerechtere Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben unterstützen soll.
Ausnahmen bestehen einerseits für alleinerziehende Elternteile sowie andererseits für Elternteile, deren zweiter Elternteil keinen Karenzanspruch hat (z.B. Selbständige, Arbeitslose oder Grenzgänger). Für Erstere ist die Alleinerziehendeneigenschaft zum Zeitpunkt der Meldung einer Karenz schriftlich zu bestätigen. Für Zweitere besteht der Anspruch auf Elternkarenz bis zum 24. Lebensmonat, sofern der Karenzantritt erst frühestens nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Ende des Beschäftigungsverbots dem/der Arbeitgeber*in mitgeteilt wird. Diesfalls wird davon ausgegangen, dass das Kind in den ersten beiden Monaten von dem anderen Elternteil betreut wurde.
Da in der EU-Richtlinie eine Nicht-Rückschritts-Klausel geregelt ist, wonach das in diesen Bereichen bestehende allgemeine Schutzniveau für Arbeitnehmer*innen nicht abgesenkt werden kann, bleibt eine allfällige Reaktion des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten angesichts der Verschlechterung in Österreich durch die Reduzierung des Anspruchs um zwei Monate (bei Inanspruchnahme durch ausschließlich ein Elternteil).
Änderungen bei der aufgeschobenen Elternkarenz
Weiterhin besteht die Möglichkeit, drei Monate der Elternkarenz bis zum 7. Lebensjahr des Kindes aufzuschieben. Da jedoch der Karenzanspruch nun bei alleiniger Inanspruchnahme durch ein Elternteil um zwei Monate verkürzt wurde, ist dies nun auch bei der aufgeschobenen Karenz zu beachten, d.h. der erste Teil der Karenz hat entsprechend früher zu enden, damit die vollen drei Monate ausgeschöpft werden können.
Neu hinzugekommen ist die Verpflichtung der Arbeitgeber*innen, eine Ablehnung der aufgeschobenen Karenz schriftlich zu begründen.
Ergänzt wurde auch ein Motivkündigungsschutz für Arbeitnehmer*innen, die aufgrund einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen aufgeschobenen Karenz gekündigt wurden. Eine solche Kündigung kann daher beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden. Zudem besteht nun der Anspruch, innerhalb von fünf Kalendertagen nach Zugang der Kündigung eine schriftliche Begründung derselben zu verlangen, welche innerhalb von fünf Kalendertagen ausgestellt werden muss. Der Umstand, dass eine schriftliche Begründung nicht übermittelt wurde, ist für die Rechtswirksamkeit der Beendigung jedoch ohne Belang.
Änderungen bei der Elternteilzeit
Der Anspruchszeitraum der Elternteilzeit wird gemäß den Vorgaben in der Richtlinie bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes ausgedehnt (nach der bisherigen Regelung konnte die Elternteilzeit nur bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres in Anspruch genommen werden). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Höchstdauer der Elternteilzeit grundsätzlich auf sieben Jahre beschränkt wurde.
Arbeitnehmer*innen, welche entweder keinen Anspruch auf Elternteilzeit haben oder diesen bereits ausgeschöpft haben, können bis zum Ablauf des 8. Lebensjahres Elternteilzeit vereinbaren. Eine Ablehnung ist schriftlich zu begründen.
Weiterhin bestehen bleibt der besondere Kündigungsschutz bis zum Ablauf des 4. Lebensjahres sowie der Motivkündigungsschutz bei einer Kündigung aufgrund einer nach dem 4. Lebensjahr begonnenen oder fortdauernden Elternteilzeit. Allerdings wurde auch hier (wie bei der Ablehnung der aufgeschobenen Karenz) eine schriftliche Begründungspflicht auf Verlangen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin normiert. Auch hier hat das Ausbleiben der Begründung keine Rechtswirkungen.
Änderungen bei der Pflege
Neu ist die Ausdehnung des Anspruchs auf Pflegefreistellung zur Pflege von nahen Angehörigen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben bzw. Personen im gemeinsamen Haushalt, welche keine nahen Angehörigen sind. Bisher konnte die Freistellung nur zur Pflege naher Angehöriger im gemeinsamen Haushalt in Anspruch genommen werden. Auch im Bereich der Pflegefreistellung wurde ein Motivkündigungsschutz sowie eine schriftliche Begründungspflicht eingeführt.
Allgemeines zur Begründungspflicht bei Kündigungen
Hinsichtlich der diversen neuen Begründungspflichten bei der Kündigung ist festzuhalten, dass das österreichische Arbeitsrecht bisher grundsätzlich keine Pflicht zur Angabe von Kündigungsgründen vorgesehen hat. Dies spiegelt sich in der Praxis wider, wonach Kündigungsgründe bei Ausspruch von Kündigungen eher selten benannt werden. Zusammenfassend wurde den Arbeitgeber*innen durch die neuen Regelungen die Pflicht auferlegt, in den folgenden Fällen (auf schriftliches Verlangen der Arbeitnehmer*innen binnen fünf Kalendertagen) eine schriftliche Begründung der Kündigung zu liefern:
- im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen aufgeschobenen Karenz
- im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Teilzeitbeschäftigung nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes (bis zum vierten Lebensjahr des Kindes herrscht ohnehin ein Kündigungs- und Entlassungsschutz für die Teilzeitbeschäftigten)
- im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Pflegefreistellung
Die Nennung von Kündigungsgründen dient jedoch laut Gesetzgeber nur dem Zweck, den Arbeitnehmer*innen eine bessere Abschätzung hinsichtlich der Erfolgschancen einer Kündigungsanfechtung zu ermöglichen, da in den obengenannten Fällen ein Motivkündigungsschutz herrscht (und der Grund der Kündigung der Arbeitnehmer*innen daher nicht auf einem gesetzlich verpönten Motiv basieren darf). Der Gesetzgeber hielt ausdrücklich fest, dass die Kündigung durch die Arbeitgeber*innen auch dann rechtswirksam bleibt, wenn diese der schriftlichen Aufforderung zur schriftlichen Begründung der Kündigung nicht nachkommen.
Demnach wird den Arbeitgeber*innen im Regelfall nicht anzuraten sein, keine Begründung zu liefern, um allfällige Nachteile im einem späteren Prozess zu vermeiden. In der Praxis wird ein besonderes Augenmerk auf die sorgfältige Formulierung der schriftlichen Begründung zu legen sein, um keine unnötigen Angriffspunkte zu eröffnen.
Änderungen im Diskriminierungsrecht
Künftig ist das GlBG auf Diskriminierungen wegen
- Elternkarenz, Elternteilzeit sowie Änderungen der Lage der Arbeitszeit nach dem MSchG oder VKG sowie Papamonats nach dem VKG,
- Freistellungen nach § 8 Abs 3 AngG bzw. § 1154b Abs 5 ABGB (bei dringenden familiären Dienstverhinderungen, wenn eine Erkrankung oder ein Unfall die unmittelbare Anwesenheit erfordern),
- Pflegefreistellung sowie
- Betreuungseilzeit, Familienhospizkarenz, Pflegekarenz und Pflegeteilzeit
anzuwenden.
Es ist wichtig zu unterstreichen, dass für eine Diskriminierung nach einem der soeben genannten Gründen nicht auch zusätzlich eine Diskriminierung nach dem Geschlecht vorliegen muss.
Hemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen
Zuletzt sehen die Gesetzesänderungen eine Hemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen in den angegebenen Gesetzen vor. Der Ablauf von laufenden gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallsfristen betreffend Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die der/die Arbeitnehmer*in zu Beginn einer Karenz bzw. Dienstverhinderung hatte, werden bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Ende der Karenz bzw. Dienstverhinderung oder Freistellung gehemmt.
Entfall der Förderung bei der geblockten Altersteilzeit
Abgesehen von der Umsetzung der zuvor erörterten Richtlinie wurden nun auch wesentliche Änderungen die Altersteilzeit betreffend beschlossen, welche mit 01.01.2024 in Kraft treten.
Bisher bestanden im Rahmen der Altersteilzeit zwei Möglichkeiten, nämlich einerseits die kontinuierliche Altersteilzeit, bei welcher die Arbeitszeit verringert wird, sowie andererseits die geblockte Altersteilzeit, bei welcher zunächst voll weitergearbeitet wird und anschließend eine Freizeitphase folgt. Es wurde nun ein stufenweiser Entfall der geblockten Altersteilzeit beschlossen.
Bisher wurden den Arbeitgeber*innen 50% der Zusatzkosten vom Arbeitsmarktservice (AMS) im Rahmen des Altersteilzeitgeldes ersetzt. Von 2024 bis 2027 soll es zu einem Entfall des Ersatzes der Aufwendungen von 50% auf 20% kommen, also pro Jahr um 7,5%, in den folgenden beiden Jahren jedoch um je 10% pro Jahr. Ab 2029 gebührt kein Altersteilzeitgeld mehr.
Die kontinuierliche Altersteilzeit soll hingegen ausgebaut und damit attraktiver gemacht werden, indem eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung ermöglicht wird. Eine Vereinbarung der Normalarbeitszeit in einem Rahmen zwischen 20% und 80% der Normalarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von sechs Monaten soll ermöglicht werden.
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