Berechtigte Entlassung bei wahrheitswidrigen Arbeitszeitangaben im Homeoffice
Eine Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit ist berechtigt, wenn der Arbeitnehmer im Home Office erbrachte Arbeitszeit wahrheitswidrig im Arbeitszeiterfassungssystem eingegeben hat. Ein darüberhinausgehender Schaden oder eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich. Eine Entlassung ist daher selbst dann zulässig, wenn sich der*die Arbeitnehmer*in durch die falsche Eingabe insgesamt keinen finanziellen Vorteil verschaffen konnte, da am vorherigen Arbeitstag im Zeiterfassungssystem nicht erfassbare Überstunden geleistet wurden.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) führte im gegenständlichen Fall (OGH vom 27.09.2023, 9ObA58/23d) einleitend aus, dass der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 Fall 3 Angestelltengesetz (AngG) erfüllt sei, wenn eine Handlung oder Unterlassung des Angestellten ihn des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt. Dies läge dann vor, wenn zu befürchten sei, dass die Pflichten nicht mehr getreulich erfüllt werden, wodurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet seien. Maßgeblich sei nicht das subjektive Empfinden des Arbeitgebers, sondern ein objektiver Maßstab, welcher sich nach den Begleitumständen und der gewöhnlichen Verkehrsauffassung richte.
Im gegenständlichen Fall ordnete die Arbeitgeberin am Freitag, den 13. März 2023, Homeoffice für den Kläger und die anderen Mitarbeiter an. Der Kläger flog am Montag, den 16. März 2023, um ca. 7:00 nach Teneriffa zu seiner Wohnung. Er begann dort erst ab ca. 12:00 bzw. 12:30 zu arbeiten, obwohl ihm die Sollarbeitszeit von 8:00 bis 16:12 Uhr bekannt war. Im Arbeitszeiterfassungssystem der Beklagten gab er hingegen wahrheitswidrig an, bereits ab 9:00 bis 17:15 gearbeitet zu haben. Der Kläger war allerdings der Ansicht, dadurch keine Arbeitszeitverkürzung herbeigeführt zu haben, da er am 13. März 2023 ohnehin von 7:00 bis 22:30 Uhr gearbeitet habe. Diese Überstunden habe er tatsächlich geleistet, er habe sie nur nicht im System einpflegen können.
Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Bejahung der Vertrauensunwürdigkeit weder ein Schaden noch eine Schädigungsabsicht erforderlich. In diesem Sinne entschieden auch die Vorinstanzen, indem sie schon allein die wahrheitswidrige Eingabe des Klägers in das Arbeitszeiterfassungssystem als ausreichend für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit qualifizierten. Dabei handle es sich um keine bloße Ordnungswidrigkeit, sondern einen schwerwiegenden Vertrauensbruch.
Der OGH betonte die besondere Vertrauensstellung, die dem Arbeitnehmer im Homeoffice zukomme. Dem Arbeitgeber sei es im Home Office nicht möglich, die Arbeitszeit genau zu überwachen oder eine genaue Kontrolle der Tätigkeit durchzuführen, weswegen die Richtigkeit der Berichte und Angaben durch die Arbeitnehmer besonders wichtig sei.
Das Argument, mangels Vereinbarung einer Kernzeit ohnehin berechtigt gewesen zu sein, bis Mittag privaten Verpflichtungen nachgehen zu dürfen, vermöge an der Beurteilung nichts zu ändern, da dennoch nicht erbrachte Arbeitsleitungen vorgetäuscht wurden. Ebenso wenig rechtfertige die Tatsache, dass der Arbeitnehmer keinen finanziellen Vorteil durch die Täuschung gehabt habe, da er am 13. März 2023 tatsächlich Überstunden geleistet habe, diese nur nicht im Arbeitszeiterfassungssystem erfasst wurden, die bewusste Täuschungshandlung (da es keines Schaden oder einer Schädigungsabsicht bedürfe).
Auch an der Rechtzeitigkeit der Entlassung gab es in diesem Fall keine Zweifel. Die Arbeitgeberin hatte am Nachmittag des 17.März 2023 Kenntnis vom Verhalten des Arbeitnehmers erlangt. Dem Ausspruch der Entlassung am Folgetag gingen mehrere Stunden rechtlicher Prüfung des Sachverhalts sowie eine daran anschließende Besprechung mit den entscheidungsbefugten Personen voran. Der Grundsatz der Unverzüglichkeit wurde damit gewahrt.
Für die Praxis zeigt sich, dass Arbeitnehmer*innen, die Arbeitsleistungen im Home Office erbringen, dadurch aus Sicht der Rechtsprechung eine besondere Vertrauensstellung genießen, da der Arbeitgeber seine Überwachungs- und Kontrollrechte nicht in vollem Maß ausüben kann (vergleichbar mit Außendienstmitarbeitern). Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Richtigkeit der Angaben der im Home Office Arbeitenden.
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