Berechtigte Entlassung nach versuchter heimlicher Aufzeichnung eines Gesprächs
Der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG) liegt vor, wenn sich Angestellte einer Handlung schuldig machen, die sie des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt. In einer aktuellen Entscheidung (OGH vom 21.04.2023, 8ObA18/23i) wurde die Klägerin entlassen, weil sie heimlich versucht hatte, ein Gespräch zwischen einem Vorstandsmitglied und ihrer Vorgesetzten aufzuzeichnen.
Im gegenständlichen Fall war die Klägerin bei der beklagten Bank als Vorstandssekretärin angestellt. Sie versuchte, durch Liegenlassen ihres Mobiltelefons neben ihrem Bildschirm bei aktivierter Gesprächsaufnahmefunktion ein in ihrer Abwesenheit geführtes Gespräch zwischen ihrem Arbeitgeber (repräsentiert durch ein Vorstandsmitglied) und ihrer Vorgesetzten, der Leiterin des Sekretariats, aufzunehmen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die heimliche Aufnahme eines Gesprächs mit dem Arbeitgeber durch einen in einer Vertrauensposition beschäftigten Angestellten den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit erfüllt. Im gegenständlichen Fall hielt der OGH die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach auch die Aufnahme eines fremden Gesprächs den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit erfülle, für vertretbar, da das Aufzeichnen eines fremden Gesprächs im Unterschied zum eigenen sogar gerichtlich strafbar sei (§ 120 Strafgesetzbuch (StGB)). Das Vorliegen eines Entlassungsgrundes wurde somit bejaht.
Zusätzlich hatte der OGH auch noch die Rechtzeitigkeit des Ausspruchs der Entlassung zu beurteilen. So hat der Arbeitgeber für eine Entlassung die Unzumutbarkeit der ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu beweisen. Eine Entlassung hat daher unverzüglich nach Kenntnis des zugrundeliegenden Sachverhalts zu erfolgen. In diesem Zusammenhang erachtet der OGH als wesentlich, ob der Angestellte aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers einen gerechtfertigten Grund zur Annahme, der Arbeitgeber habe auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes verzichtet, haben durfte.
Im gegenständlichen Fall erklärte das Vorstandsmitglied nach dem Entdecken der versuchten Gesprächsaufnahme, dass dies einen massiven Vertrauensbruch darstelle und er sich am Wochenende Gedanken darüber machen müsse. Im Anschluss fand eine schon länger für diesen Tag (i.e. Freitag) geplante Besprechung der Neuorganisation des Vorstandssekretariats statt, bei welcher das Vorstandsmitglied die Arbeitnehmerin fragte, ob sie sich die Neuorganisation vorstellen könne. Der OGH stellte klar, dass durch die besagte Ankündigung, sich am Wochenende Gedanken über das Geschehene machen zu müssen, kein Verzicht auf das Entlassungsrecht erkennbar sei. Auch die Tatsache, dass das Vorstandsmitglied der Klägerin später zu Mittag ein schönes Wochenende wünschte, ändere daran nichts, da es sich hierbei bloß um eine übliche Höflichkeitsfloskel handle.
Für die Praxis ergeben sich durch diese Entscheidung sowie die bisherige Rechtsprechung des OGH verschiedene Fälle im Zusammenhang mit der unberechtigten Gesprächsaufnahme, welche zur Entlassung berechtigen: einerseits die Aufnahme eines Gesprächs mit dem*der Arbeitgeber*in, andererseits aber auch die Aufnahme eines Gesprächs zwischen Arbeitskollegen*innen sowie nach der aktuellen Entscheidung auch die Aufnahme eines Gesprächs zwischen dem*der Arbeitgeber*in und einem Dritten. Zudem unterstreicht die Entscheidung einmal mehr, dass in der Praxis schon kurze Bedenkzeit oder ein höflicher Gruß nach Vorfall des Entlassungsgrunds zum Anlass genommen werden können, um einen Verzicht auf das Entlassungsrecht zu argumentieren.
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