Einvernehmliche Beendigung nach Entlassung: psychologischer Druck und Betriebsratskonsultation
Beim Abschluss einer unmittelbar nach bereits ausgesprochener Entlassung angebotenen einvernehmlichen Auflösung ist es oft fraglich, ob die Zustimmung des*der Arbeitnehmers*in unter ungerechtfertigtem psychologischem Druck erteilt wurde und daher die Auflösungsvereinbarung unwirksam sein könnte. Dabei kommt es hinsichtlich der Redlichkeit des*der Arbeitgebers*in darauf an, ob plausible und objektiv ausreichende Gründe für einen Entlassungsausspruch vorlagen. In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr mit dieser Thematik auseinanderzusetzen (OGH vom 18.10.2023, 9ObA56/23k). Weiters behandelte der OGH auch die Auswirkung des § 104a Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) auf derartige Konstellationen. Gemäß § 104a ArbVG muss nach einem Verlangen des*der Arbeitnehmers*in, sich mit dem Betriebsrat zu beraten, vor Abschluss der Auflösungsvereinbarung eine Frist von zwei Arbeitstagen abgewartet werden, bevor die Vereinbarung rechtswirksam getroffen werden kann.
Im Anlassfall des Verfahrens wurde der Kläger am 31. August 2021 um 16:00 Uhr entlassen. Daraufhin fragte dieser, „wo denn sein Betriebsrat sei“ und es wurde ihm erklärt, dass es bei einer Entlassung nicht zwingend des Betriebsrates bedürfe. Es folgte eine längere Diskussion über den Anlass der Entlassung (i.e. Kundenbeschwerden) und ein anschließendes Angebot zur einvernehmlichen Auflösung zum 30. September 2021. Dem Kläger wurde eine Überlegungsfrist bis 18:00 Uhr eingeräumt. Er verließ den Raum unter Mitnahme des Entlassungsschreibens und des schriftlichen Entwurfs für die einvernehmliche Auflösung und fragte einen Kollegen (einen ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden) um Rat. Nachdem ihm dieser die Vor- und Nachteile der beiden Beendigungsarten erklärt hatte, unterfertigte der Kläger die einvernehmliche Auflösung. In weiterer Folge klagte er jedoch auf Feststellung des aufrechten Bestehens des Dienstverhältnisses.
Der OGH führte einleitend im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung aus, dass es bei einer Auflösungsvereinbarung, die unter dem Eindruck einer bereits ausgesprochenen Entlassung angeboten wird, hinsichtlich der Redlichkeit des Arbeitgebers darauf ankomme, ob für ihn zu diesem Zeitpunkt plausible und objektiv ausreichende Gründe für den Entlassungsausspruch gegeben waren. Wenn dies bejaht werden kann, könne nicht von der Ausübung ungerechtfertigten psychologischen Drucks die Rede sein. Im Sinne der Entscheidung der Vorinstanzen bejahte auch der OGH das Vorliegen derartiger Gründe im gegenständlichen Fall (i.e. das – nach mehrfachen Ermahnungen – weiterhin gegebene – nicht näher spezifizierte - Verhalten des Klägers gegenüber Kunden), verneinte damit das Vorliegen eines ungerechtfertigten psychologischen Drucks und bejahte die Wirksamkeit der Auflösungsvereinbarung.
Der Gerichtshof betonte weiters, dass durch die Entlassung das Dienstverhältnis ungeachtet des Umstands, ob die Entlassung berechtigt oder unberechtigt erfolgt sei, endgültig beendet gewesen wäre. Eine Zurücknahme einer Entlassung könne nur sofort (in diesem Fall nicht gegeben) oder mit Zustimmung des Erklärungsempfängers erfolgen. Im Einzelfall zu beurteilen sei, ob die Erklärung unter einer unbedingten oder bedingten Rücknahme ausgesprochen wurde. Im gegenständlichen Fall war jedoch klar, dass die Beklagte die ausgesprochene Entlassung nur dann zurücknehmen wolle, wenn der Kläger der einvernehmlichen Auflösung (Zug um Zug) zustimme. Selbst, wenn die Auflösungsvereinbarung unwirksam gewesen wäre, hätte dies somit lediglich die mit der einvernehmlichen Beendigung untrennbar verknüpfte Rücknahme der Entlassung beseitigt und zum Ende des Dienstverhältnisses durch Entlassung geführt.
Der Kläger brachte weiters vor, dass § 104a ArbVG anwendbar wäre. Gemäß diesem kann innerhalb von zwei Arbeitstagen keine rechtswirksame einvernehmliche Lösung vereinbart werden, wenn der*die Arbeitnehmer*in gegenüber dem*r Betriebsinhaber*in nachweislich verlangt, sich vor der Auflösung mit dem Betriebsrat beraten zu wollen. Der OGH führte aus, Zweck dieser Vorschrift sei ein Übereilungsschutz für den Arbeitnehmer, welcher nicht unüberlegt einvernehmlich das Dienstverhältnis beenden soll.
Der OGH sprach in der Folge aus, dass selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 104a ArbVG auf derartige Konstellationen die Unwirksamkeit der Auflösungsvereinbarung dennoch nicht dazu führen würde, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht wäre. Es würde vielmehr – wie bereits oben ausgeführt – wiederum die Rücknahme der Entlassung beseitigt werden und das Dienstverhältnis durch Entlassung enden. Aufgrund dieses Umstandes war die Frage, ob das nach Ausspruch der Entlassung geäußerte Verlangen des Klägers, sich mit dem Betriebsrat beraten zu wollen ausreichend gewesen wäre, um die Voraussetzungen des § 104a ArbVG zu erfüllen, nicht weiter zu beurteilen.
In der Praxis ist in derartigen Fällen daher zum einen darauf Acht zu geben, dass für den*die Arbeitnehmer*in nicht der Anschein entsteht, dass durch das Angebot einer einvernehmlichen Beendigung im Anschluss an eine Entlassung die Entlassung zurückgenommen werden soll. Es sollte daher klar kommuniziert werden, dass Voraussetzung dafür die Zustimmung zur einvernehmlichen Beendigung ist. Zum anderen kommt es immer wieder vor, dass in einem derartigen Fall eingewandt wird, dass die einvernehmliche Beendigung nur unter Druck akzeptiert wurde. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn für den*die Arbeitgeber*in plausible und objektiv ausreichende Gründe für eine Entlassung vorlagen. Weiters wird empfohlen, dass, wenn ein*e Arbeitnehmer*in im Rahmen der Verhandlung einer einvernehmlichen Auflösung – gleich auf welche Weise – die Beratung mit dem Betriebsrat verlangt, aus Vorsichtsgründen vor Abschluss der Auflösungsvereinbarung die in § 104a ArbVG vorgeschriebene zweitägige Frist abgewartet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Auflösungsvereinbarung nicht unwirksam ist.
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