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Kürzung des All-In-Gehalts während der Elternteilzeit?
In zwei aktuellen Entscheidungen hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Behandlung von All-In-Vereinbarungen während der Elternteilzeit zu befassen. Der OGH schloss sich hierbei der im Schrifttum herrschenden Ansicht an, wonach während der Elternteilzeit (nur) jener Teil des Arbeitsentgelts ruht, der über das Grundentgelt hinaus für die Leistung von Mehr- und Überstunden bezahlt wird. Ist die Anzahl der Mehr- und Überstunden, die mit dem jeweiligen Gehalt abgegolten werden, im Dienstvertrag festgehalten, so sind diese von ebenfalls pauschal abgegoltenen weiteren Mehrleistungen und sonstigen Bezügen abgrenzbar und ausreichend bestimmt. Während der Elternteilzeit tatsächlich geleistete Mehr- und Überstunden sind im Wege der Einzelverrechnung abzugelten.
Im Rahmen der Elternteilzeit ist der*die Arbeitnehmer*in nicht zur Leistung von Mehr- oder Überstunden verpflichtet. Diese können daher seitens des*der Arbeitgebers*in nicht gefordert werden. Dennoch bezahlt der*die Arbeitgeber*in im Falle einer All-In-Vereinbarung (oder einer Überstundenpauschale) grundsätzlich auch während der Elternteilzeit ein erhöhtes Entgelt. Hinsichtlich der Überstundenpauschale entschied der OGH bereits in der Entscheidung OGH 24.06.2015, 9ObA30/15z, dass das Entgelt für die Leistung von Überstunden nicht von der Weiterzahlungspflicht des Arbeitgebers während der Elternteilzeit erfasst sei. Anderenfalls wäre das von den Arbeitsvertragsparteien dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegte Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wenn der Arbeitgeber verpflichtet wäre, dem Arbeitnehmer die Überstundenpauschale weiterhin zu leisten, aber im Gegenzug keine Leistung von Mehrstunden mehr fordern könnte.
Vor diesem Hintergrund widmete sich der OGH nun kürzlich der Behandlung von All-In-Vereinbarungen im Zusammenhang mit Elternteilzeit, wobei er obige Ansicht eingeschränkt auch auf All-In-Gehälter ausdehnte, indem er jeweils auf die ausreichende Abgrenzung der je nach Vereinbarung zu leistenden Anzahl von Mehr- und Überstunden abstellte.
Im Anlassfall des Verfahrens OGH 28.09.2022, 9ObA83/22d war der Kläger ursprünglich mit 38,5 Wochenstunden bei der Beklagten beschäftigt, wofür er zuletzt ein Jahresfixgehalt von EUR 207.257,84 brutto erhielt. In einem Annex zu seinem Dienstvertrag war festgehalten, dass im monatlichen Basisgehalt für gewisse Angestellte 15 Überstunden im Monat und für die übrigen Angestellten 25 Überstunden im Monat enthalten seien. Während seiner ersten Elternteilzeit ab dem 1. Oktober 2018 reduzierte sich die Arbeitszeit des Klägers auf 37,5 Wochenstunden, wofür er ein Jahresfixgehalt von EUR 199.283 brutto erhielt. In diesem war eine Mehr- und Überstundenpauschale für 24,3 Mehrarbeits- und Überstunden enthalten. Ab 1. Juni 2019 stufte die Beklagte den Kläger aufgrund einer Änderung seiner Tätigkeit neu ein. Während seiner zweiten Elternteilzeit ab dem 1. März 2020 reduzierte der Kläger seine Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden und erhielt dafür ein Jahresfixgehalt von EUR 143.987,50 brutto. Während dieser zweiten Elternteilzeit wurde die vereinbarte „Überstundenpauschale“ von der Klägerin nicht ausbezahlt und sie verlangte auch keine Mehr- und Überstundenleistungen vom Kläger.
Der Entscheidung OGH 24.10.2022, 8ObA22/22a lag ein etwas abweichender Sachverhalt zugrunde. Im Dienstvertrag des Klägers fand sich folgende Bestimmung: „Es wird davon ausgegangen, dass im Durchschnitt 25 Mehr- und Überstunden pro Monat geleistet werden“. Der Kläger bezog von der Beklagten zuletzt ein All-In-Gehalt von EUR 8.028,32 brutto. Während der am 21. Mai 2020 angetretenen Elternteilzeit reduzierte der Kläger seine Arbeitszeit auf 30,75 Wochenstunden. Die Beklagte kürzte das All-In-Gehalt des Klägers für den Zeitraum der Elternteilzeit auf EUR 5.280,66 brutto. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass während der Elternteilzeit tatsächlich anfallende Mehr- und Überstunden einzeln verrechnet werden würden.
In beiden Fällen begehrten die Kläger die Differenz auf jenes Gehalt, welches sie ohne Herausrechnung des Mehr- und Überstundenentgelts erhalten hätten. Beide Kläger stützten sich bei ihrer Argumentation grundsätzlich darauf, dass die von den Beklagten vorgenommenen Kürzungen unzulässig seien, da keine Überstundenpauschale vereinbart worden sei, sondern sie ein All-In-Gehalt bezögen, mit welchem auch andere Leistungen abgegolten seien (und daher kein Entgelt, dem Mehr- oder Überstundenleistungen zuordenbar seien).
In beiden Entscheidungen bejahte der OGH das Vorliegen einer ausreichenden Abgrenzung und damit ebenso die dementsprechende Kürzung des All-In-Gehalts.
Konkret stellte er in der Entscheidung 9ObA83/22d fest, dass jener Teil der pauschalen Abgeltung, der die Leistung der im Annex des Dienstvertrags angeführten 25 bzw. 15 Mehr- und Überstunden betreffe, ausreichend konkret bestimmt sei und daher während der Elternteilzeit ruhen könne. Aus diesem Grund sei die von der Beklagten durchgeführte Kürzung des Jahresfixgehalts des Klägers um die konkret bestimmte Anzahl an den im Gesamtentgelt enthaltenen Mehr- und Überstunden, hinsichtlich deren Leistung eine vertragliche Erwartungshaltung bestand, zulässig gewesen.
Im Sachverhalt der Entscheidung 8ObA22/22a wurde im Dienstvertrag keine bestimmte Anzahl von monatlichen Überstunden als im Fixgehalt inkludiert bezeichnet, sondern es wurde vielmehr die Erwartungshaltung vereinbart, dass im Durchschnitt 25 Mehr- und Überstunden pro Monat geleistet würden. Doch auch hier beurteilte der OGH die Interpretation der Vorinstanzen, wonach diese Formulierung objektiv so verstanden werden müsse, dass der Arbeitgeber in diesem Ausmaß Überstunden verlangen könne, diese vom Arbeitnehmer bei Bedarf zu leisten und mit dem Fixgehalt pauschal abgegolten seien, als schlüssig. Tatsächlich stehe auch nicht fest, dass die vom Kläger regelmäßig erbrachten Mehr- und Überstunden von diesem Durchschnitt wesentlich und dauernd nach unten abgewichen hätten. Aus diesem Grund ließe diese Formulierung eine ausreichende Abgrenzung eines bestimmten abzugeltenden Überstundenanteils in zeitlicher Hinsicht zu. Der vom Kläger vorgebrachten mangelnden Vereinbarung eines Grundgehalts hielten bereits die Vorinstanzen entgegen, dass bis zur Höhe des Mindestentgelts eine für 25 Mehr- und Überstunden gebührende Entlohnung eindeutig vertraglich bestimmbar sei, weil davon nach unten gar nicht abgewichen werden könne. Der OGH bejahte daher die Zulässigkeit der Kürzung des All-In-Gehalts durch Herausrechnen des dem Mindestlohn entsprechenden Überstundenpauschales.
In den beiden gegenständlichen Entscheidungen beantwortete der OGH die Frage nach der Zulässigkeit der anteiligen Kürzung des All-In-Gehalts während der Elternteilzeit nur teilweise. Fest steht, dass die auf Mehr- und Überstunden entfallenden Entgeltteile dann ruhen, wenn sie ausreichend bestimmt sind. In den gegenständlichen Entscheidungen waren die abgedeckten Mehr- und Überstunden bereits anhand des Dienstvertrages bestimmbar. Somit bleibt weiterhin offen, ob eine (in der Praxis übliche) All-In-Vereinbarung, bei welcher das Ausmaß der Mehr- und Überstunden nicht konkret ausgewiesen ist, sondern generell sämtliche Mehr- und Überstunden abgedeckt sein sollen, während der Elternteilzeit um den All-in Bestandteil gekürzt werden kann.
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