Prüfung der Zumutbarkeit bei einer Änderungskündigung
Eine Minderung des Ansehens, zu erwartende Einkommensverluste von 17% bis 20%, die Einhaltung fester Arbeitszeiten verbunden mit einer Umschulung, der Verlust des Dienstwagens, ein ausdrücklicher Versetzungsvorbehalt und die potentielle fachliche und disziplinäre Unterstellung unter eine ehemals ihm unterstellte Mitarbeiterin sind für einen Area-Manager nicht zumutbar. Zu diesem Schluss kam der Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich in einer Entscheidung (OGH vom 18.10.2023, 9ObA59/23a) und beschäftigte sich in diesem Zusammenhang mit der Frage der Interessenabwägung bei Änderungskündigungen.
Bei einer Änderungskündigung streben Arbeitgeber*innen mit den Beschäftigten eine Änderung des Dienstvertrags an. Stimmt der*die Beschäftigte dieser Vertragsänderung in Folge nicht zu, so wird das Dienstverhältnis durch den*die Arbeitgeber*in beendet. So auch im vorliegenden Fall, wo der Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitgebers daraufhin wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) anfocht.
Der OGH beschäftigte sich in seiner Prüfung mit der zentralen Frage, ob die wesentlichen Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt sind und ob dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die üblichen Folgen einer Kündigung hinausgehen. Bei einer Änderungskündigung sei es entscheidend zu prüfen, ob es für den Arbeitnehmer zumutbar ist, das Angebot des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeitsbedingungen anzunehmen. Dabei sei nicht nur auf die geänderten Entgeltbedingungen sondern auf alle geänderten Arbeitsbedingungen abzustellen.
In der gegenständlichen Entscheidung bot der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Ersatzarbeitsplatz an, welcher selbst vom Arbeitgeber nicht als gleichwertig angesehen wurde. Dementsprechend hatte er auch zuvor die Zustimmung des Betriebsrats zur verschlechternden Versetzung eingeholt. Obwohl die angebotene Position mit einer niedrigeren kollektivvertraglichen Einstufung verbunden gewesen wäre, stimmte der OGH der Annahme des Berufungsgerichts zu, dass der Arbeitnehmer trotz der zu erwartenden Einkommenseinbußen von 17% bis 20% dennoch seine monatlichen Fixkosten decken könne. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen beurteilte der OGH das vorgeschlagene Änderungsangebot trotzdem als unzumutbar, da es mit einer Degradierung des Arbeitnehmers einhergehe. Die vorgeschlagene Ersatzposition sei – neben der niedrigeren kollektivvertraglichen Einstufung – auch mit Aspekten wie dem Verlust von Ansehen und Arbeitszeitautonomie und der Notwendigkeit einer Umschulung verbunden. Ferner sei dem Arbeitnehmer kein klar definierter Ersatzarbeitsplatz angeboten worden. Der Arbeitnehmer sollte stattdessen in verschiedenen Filialen tätig sein, ohne weiterhin einen Dienstwagen zur Verfügung zu haben.
Diese höchstgerichtliche Entscheidung macht deutlich, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit eines Ersatzarbeitsplatzes nicht nur auf den damit verbundenen Entgeltverlust abzustellen ist. Vielmehr sind alle Faktoren der geänderten Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen. Für die Frage der Zumutbarkeit hat auch die Zustimmung des Betriebsrats keine Relevanz, die bei einer Änderungskündigung einzuholen ist, falls – wie im Anlassfall – damit auch eine verschlechternde Versetzung einhergeht. Es empfiehlt sich daher, dass der*die Arbeitgeber*in vor Ausspruch einer Änderungskündigung zunächst selbst eine Gesamtbetrachtung der geänderten Arbeitsbedingungen vornimmt, um das Risiko einer möglichen Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit zu minimieren.
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