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Zulässigkeit von GPS-Tracking in Dienstwägen
Die Nutzung von GPS-Systemen in Dienstwägen kommt in der Praxis immer häufiger vor. Bei der Implementierung derartiger Systeme ist neben der Einhaltung von arbeitsrechtlichen Schranken auch zu beachten, dass für den Betrieb solcher Systeme datenschutzrechtliche Regelungen einzuhalten sind. In einer aktuellen (nicht rechtskräftigen) Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG vom 25.08.2022, W214 2207491-1) dargelegt, dass Arbeitgeber unter gewissen Voraussetzungen GPS-Systeme in Dienstwägen zulässig betreiben können. Für den zulässigen Betrieb eines derartigen Systems ist es dabei insbesondere erforderlich, eng an die erforderlichen Zwecke abgestimmte technische und organisatorische Einschränkungen des Systems zu implementieren.
In der gegenständlichen Entscheidung verwendete die Arbeitgeberin in all ihren Dienstwägen ein GPS-System, das für die jeweiligen Fahrer (Servicetechniker) die Standortdaten der Fahrzeuge aufzeichnete. Die vom System erfassten Fahrtrouten der Fahrer waren für einige Minuten zeitverzögert abrufbar und wurden gespeichert, wobei ausschließlich der Geschäftsführer Zugriff auf diese gespeicherten Daten hatte. Wenn die Arbeitnehmer die Dienstwägen privat nutzten, konnten sie in einen Privatmodus umschalten, in dem keine Aufzeichnung der GPS-Daten erfolgte, jedoch die sonst fahrtenbuchrelevanten Daten aufgezeichnet wurden. Bei der Übernahme der Dienstwägen unterfertigten die Arbeitnehmer Zustimmungserklärungen, in denen die Zwecke der Nutzung des GPS-Systems dargelegt wurden: (i) Disposition, (ii) Diebstahlschutz -Versicherung, (iii) Wochenberichtskontrolle, (iv) Vorbeugung von Schwarzfahrten, (v) Schwarzarbeit-Überprüfung, (vi) Automatisches Fahrtenbuch, (vii) Leasingabrechnung, (viii) Fahrzeugkontrollen durch die Polizei, (ix) Einhaltung der Ruhepausen und (x) Ankunft am Aufenthaltsort.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht handelt es sich bei derartigen GPS-Systemen auf Grund der dauernden Überwachungsmöglichkeit (selbst ohne Speicherung der Standortdaten) in aller Regel um Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren. Sofern ein Betriebsrat im Unternehmen besteht, dürfen derartige Systeme nur dann eingeführt bzw. genutzt werden, wenn eine Betriebsvereinbarung gemäß § 96 Abs 1 Z 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) abgeschlossen wird. Besteht, wie im vorliegenden Fall, kein Betriebsrat, muss von den einzelnen Arbeitnehmern*innen für die Einführung bzw. Nutzung der Maßnahme eine Zustimmungserklärung im Sinne des § 10 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) eingeholt werden.
Auch wenn aus den von den Arbeitnehmern eingeholten Zustimmungserklärungen nicht ersichtlich war, dass es sich um eine § 10 AVRAG-Zustimmung handelte, qualifizierte das BVwG diese im konkreten Fall als solche. Dies da die betroffenen Arbeitnehmer jedenfalls vor Aufnahme ihrer Fahrten mit den Dienstwägen informiert wurden, dass eine Aufzeichnung von GPS-Daten stattfinde und ebenso zu welchen Zwecken diese Aufzeichnungen erfolgen.
Da die Namen der Fahrer den benützten Dienstwägen zugeordnet werden (können), bedarf es aufgrund des Personenbezugs im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis neben der soeben erläuterten arbeitsrechtlichen Zustimmung ebenso einer datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage. Konkret wurde zunächst geprüft, ob die eingeholten Zustimmungserklärungen auch eine zulässige Rechtsgrundlage darstellen.
Hierbei strich das BVwG hervor, dass es im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses fraglich sei, ob überhaupt die für datenschutzrechtliche Zustimmungserklärungen erforderliche „Freiwilligkeit“ vorliegen könne. Jedenfalls lag aus Sicht des BVwG im konkreten Fall keine Freiwilligkeit vor. Dies zeige sich schon allein dadurch, dass bislang noch nie ein Arbeitnehmer der Arbeitgeberin die Zustimmung verweigert habe und das GPS-System durch die Arbeitnehmer nicht ausgeschaltet werden könne.
Nach Ansicht des BVwGs könnte jedoch Art 6 Abs 1 lit f DSGVO („Überwiegende berechtigte Interessen“) als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Dementsprechend sei eine konkrete Interessenabwägung vorzunehmen.
Es benötige für den Eingriff in die schutzwürdigen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der jeweiligen Maßnahme, die zur Erreichung eines berechtigten Zwecks erforderlich sei. Die Maßnahme muss zudem das gelindeste Mittel zur Zweckerreichung sein.
Zu den einzelnen Zwecken, die die Arbeitgeberin ins Treffen führte, hielt das BVwG insbesondere Folgendes fest:
- Disposition und Routenplanung
Dies wurde durch die Arbeitgeberin noch nicht implementiert und war daher nicht von der Prüfung umfasst.
- Diebstahl - Versicherung
Es besteht ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin am Eigentumsschutz. Die Maßnahme ist geeignet, um den Diebstahl von Dienstwägen zu verhindern wobei hierfür die Übermittlung der Daten mit einer Verzögerung von einigen Minuten bzw. (in Ausnahmefällen) die Speicherung der GPS-Daten für wenige Tage genüge. Das BVwG trug der Arbeitgeberin auf, die entsprechenden technischen Vorkehrungen zu treffen, damit bei Privatfahrten die Standortdaten der Arbeitnehmer nur im Falle eines Diebstahls abgerufen werden können.
- Wochenberichtskontrolle (Arbeitszeit und Ruhepausen)
Die Arbeitgeberin hat ein Interesse an der Überprüfung der Arbeitszeiten und Ruhezeiten. Die Einbindung der Arbeitnehmer ist jedoch ein gelinderes Mittel. Die Überprüfung mittels Aufzeichnungen aus dem GPS-System wäre daher maximal für eine Plausibilitätsprüfung geeignet. Diese ist aber dann legitim, wenn ein Verdacht auf Falscheintragungen oder fehlende Eintragungen besteht und eine Aufklärung mit dem Arbeitnehmer selbst nicht möglich ist. Es ist daher sicherzustellen, dass eine Überprüfung der Arbeitszeiten und Ruhepausen nur in diesen Ausnahmefällen stattfindet.
- Vorbeugung von Schwarzfahrten und Schwarzarbeit-Überprüfung
Es besteht ein Interesse daran Schwarzfahrten und Schwarzarbeit vorzubeugen. Ein GPS-System ist dafür geeignet, da bereits das Vorhandensein eines solchen zur Abschreckung beitrage. Eine tatsächliche Überprüfung ist jedoch nur im Verdachtsfall und mit einer kurzen Speicherdauer der GPS-Daten zulässig. Es ist zu gewährleisten, dass nur im Verdachtsfall eine entsprechende Überprüfung erfolgt.
- Leasing-Abrechnung und automatisches Fahrtenbuch
Das GPS-System ist für diese Zwecke nicht notwendig. Da dies auch die Arbeitgeberin zugestand, beschäftigte sich das BVwG damit nicht näher.
- Fahrzeugkontrolle durch die Polizei
Bei einer maximalen Speicherdauer von 45 Tagen hat die Arbeitgeberin ein überwiegendes Interesse an der Durchsetzung von Rechtsansprüchen (im Anlassfall).
- Ankunft am Aufenthaltsort
Da eine derartige Überprüfung im gegenständlichen Fall ohnehin nur im Anlassfall erfolge, überwiegt hier das Interesse der Arbeitgeberin, sofern die GPS-Daten nicht länger als 45 Tage gespeichert werden.
Damit einhergehend trug das BVwG der Arbeitgeberin auf, den Auftragsverarbeitungsvertrag mit dem Betreiber des GPS-Systems entsprechend den Vorgaben anzupassen.
Abschließend hielt das BVwG fest, dass auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung durch die Arbeitgeberin durchzuführen ist, da die Zugriffe auf GPS-Daten der Bewertung oder Einstufung der betroffenen Personen, welche den Aufenthaltsort oder den Ortswechsel der Person betreffen und auf einer automatisierten Verarbeitung beruhen, auf diese negative rechtliche, physische oder finanzielle Auswirkungen haben können.
Für die Praxis kann diese (nicht rechtskräftige) Entscheidung des BVwG aus unserer Sicht eine gute Richtschnur sein, wie ein GPS-Tracking System für gewisse Zwecke datenschutzkonform ausgestaltet werden kann. Jedenfalls muss in jedem Einzelfall evaluiert werden, ob das gewählte System bzw. dessen technische Konfiguration nicht für den geeigneten Zweck überschießend ist. Die genaue Gestaltung des Systems muss auch in der arbeitsrechtlichen Zustimmungserklärung nach § 10 AVRAG festgehalten werden, da die Arbeitnehmer*innen eine informierte Entscheidung treffen müssen.
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