Überwachung im Krankenstand – Auftrag an Berufsdetektiv
Arbeitgeber*innen sind für Fehlverhalten von Arbeitnehmer*innen im Krankenstand beweispflichtig. Besteht ein begründeter Verdacht, dass Arbeitnehmer*innen eine Krankheit nur vortäuschen oder sich „genesungswidrig“ verhalten, können Arbeitgeber*innen einen Berufsdetektiv mit der Überwachung beauftragen. In einer aktuellen Entscheidung setzte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage auseinander, ob es einem Berufsdetektiv datenschutzrechtlich erlaubt ist, auch die Lebensgefährtin eines „kranken“ Arbeitnehmers zu überwachen. Er hielt fest, dass es für das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Berufsdetektivs insbesondere darauf ankommt, welcher Überwachungsauftrag vom Arbeitgeber erteilt wurde.
Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit beauftragte ein Arbeitgeber einen Berufsdetektiv mit der Observation seines Arbeitnehmers. Es bestand der Verdacht, dass dieser sich im Krankenstand genesungswidrig verhielt. Im Rahmen der Observation im Mai 2020 wurde jedoch nicht nur der betroffene Arbeitnehmer überwacht, sondern auch dessen Lebensgefährtin. Dabei wurden die beiden auch fotografiert, wobei auf einigen der Fotos die Lebensgefährtin alleine zu sehen war. Im Observationsbericht, den der Berufsdetektiv dem Arbeitgeber inklusive Fotos übermittelte, wurde die Lebensgefährtin als eigenes Observationsobjekt („Zielperson 2“) angeführt. Neben den Fotos dokumentierte der Bericht auch einige ihrer Handlungen (zB „[Zielperson]2 kommt aus [Zielobjekt], steigt auf [Zielfahrzeug]2 und fährt weg“).
Die Lebensgefährtin des Arbeitnehmers erhob daraufhin Beschwerde bei der Datenschutzbehörde wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Datenschutzgesetz – DSG). Dieser Beschwerde wurde stattgegeben, woraufhin der Berufsdetektiv Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhob.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die Beschwerde des Detektivs ab. Als Rechtfertigungstatbestand für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Lebensgefährtin prüfte es ein überwiegendes berechtigtes Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. F DSGVO). Das berechtigte Interesse des Berufsdetektivs liege darin, seinen anerkannten Beruf auszuüben und seinen Auftrag ordnungsgemäß zu erledigen. Konkret bestand sein Auftrag darin, das Verhalten eines Arbeitnehmers im Krankenstand zu beobachten, damit dessen Arbeitgeber ein eventuell „genesungswidriges“ Verhalten in einem Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht vorbringen könne. Zur Durchführung des Auftrags sei es jedoch nicht notwendig, die Lebensgefährtin des betroffenen Arbeitnehmers zu überwachen, da der Arbeitgeber gar kein Arbeitsverhältnis mit dieser habe. Den Einwand des Berufsdetektivs, dass die Überwachung der Lebensgefährtin für eine spätere Zeugenschaft in einem potentiellen Verfahren notwendig gewesen sei, verwarf das Gericht. Ein berechtigtes Interesse müsse bereits im Zeitpunkt der Verarbeitung vorhanden sein. Es bestehe schon deshalb kein berechtigtes Interesse an der Überwachung der Lebensgefährtin, da sie nicht vom Auftrag erfasst sei.
Der Berufsdetektiv erhob gegen dieses Erkenntnis Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Dieser führte in seiner Entscheidung (VwGH 24.07.2024, Ra2024/04/0376-6) aus, dass das Ausforschen von Zeugen zwar ein berechtigtes Interesse eines Berufsdetektivs darstellen könne. Im vorliegenden Fall sei die Observation der Lebensgefährtin jedoch nicht Gegenstand des Auftrags gewesen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, inwiefern das Anfertigen von Fotos, auf denen ausschließlich die Lebensgefährtin zu sehen sei, der Beschaffung von Beweismitteln für einen eventuellen Rechtsstreit mit dem Arbeitnehmer dienen könne. Die Beurteilung des BVwG sei daher zutreffend gewesen.
In der Praxis ist es bei Verdacht auf „genesungswidriges“ Verhalten im Krankenstand grundsätzlich zulässig, Berufsdetektive mit der Überwachung von Arbeitnehmer*innen zu beauftragen. Arbeitgeber*innen sollten jedoch stets im Einzelfall beurteilen, ob diese Maßnahme notwendig und zweckmäßig ist. Wie die gegenständliche Entscheidung zeigt, ist beim Einsatz von Berufsdetektiven insbesondere auch auf die konkrete Formulierung des Auftrags zu achten. Die eingesetzten Detektive sollten klar darüber informiert werden, welche Zielpersonen tatsächlich überwacht werden sollen. Bestätigt das Observationsergebnis den Verdacht, können Arbeitgeber*innen nach der Rechtsprechung des OGH (OGH 25.03.2021, 8ObA8/21s) sogar die angefallenen Detektivkosten vom Dienstnehmer einfordern. Zu beachten ist jedoch, dass eine sehr umfassende und häufige Kontrolle von Arbeitnehmer*innen im Krankenstand unzulässig wäre. In diesem Fall wird in der Regel eine unzulässige, die Menschenwürde verletzende, kollektive Kontrollmaßnahme vorliegen.
Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.